Robert Kreutzer
Leisbach 45
A-9074 Keutschach am See
Tel.: 0043/(0)664/415 78 16
E-Mail:
info@robertkreutzer.at
Internet:
www.robertkreutzer.at
Zunächst möchte ich mich herzlich für die Einladung bedanken, im Trompetenforum mitwirken zu dürfen!
Ich verfolge schon seit einiger Zeit die Diskussionen zu diesem Fachbereich und bin gleichzeitig sehr froh darüber, dass das Trompetenforum eine Plattform für diese so dringend notwendige kreative Diskussion bietet.
Zur ersten Frage von Herzbert:
Der Grund für mein Engagement in diesem Fachbereich ist - wie so oft - darin zu suchen, dass ich selbst im Studium einen sehr mühevollen Weg gehen musste, lange Jahre mit technischen Problemen zu kämpfen hatte, weil »Atemtechnik« erstens gar kein Thema war und zweitens - wenn darüber kurz mal gesprochen wurde - die elementaren Dinge wie der Fachbegriff »Atemstütze« grundlegend falsch vermittelt wurden.
Die vielen verlorenen Jahre, die jahrlange Verzweiflung, nicht zu wissen, was ich gegen meine Probleme, meine Verkrampfung tun kann, der beinharte Weg zurück, bis ich mit schrittweise wiedererlangtem Selbstvertrauen wieder professionell auf der Bühne stehen konnte, nachdem ich technisch ruiniert und nicht zuletzt auch psychisch gebrochen war, all diese Dinge haben mich sehr stark geprägt. Ich war also gezwungen, meinen eigenen logischen Verstand einzusetzen und begann zu forschen, was die Ursache meiner technischen Probleme war.
Nachdem ich den Weg zurück geschafft hatte, endlich bis in die 4-gestrichene Oktave blasen konnte und dann auch als Opernsänger professionell auf der Bühne stehen durfte, war es mir ein Anliegen, meine Erfahrungen weiterzugeben, weil ich gesehen habe, dass nicht nur ich diese Probleme hatte, sondern auch eine Vielzahl anderer Studenten, Bläser und Sänger.
Letztendlich – das ist das Positive daran - waren diese leidvollen Erfahrungen Anlass dafür, mein Buch »Stütze!!?« und diverse Fachartikel zu schreiben, um anderen Musikern einen ähnlich mühevollen Weg zu ersparen.
Zur zweiten/dritten Frage:
Tatsächlich ist eine korrekte, »lockere« Atemtechnik, wie ich sie beschreibe, die wichtigste Grundlagentechnik für jeden Bläser und Sänger/Sprecher. Es ist daher das Hauptaugenmerk darauf zu legen, da jeder einzelne Ton von der Luft »lebt«. Man muss sich dabei vorstellen, dass erst die vorbeistreichende Luft die Lippen beim Bläser sowie die Stimmbänder/-lippen beim Sänger/Sprecher zum Schwingen bringt. Ohne Luft schwingt da gar nichts.
Für mich ist die Atemtechnik/Atemstütze der wichtigste Aspekt beim Musizieren, wobei ich hier vom Leistungsatem eines professionellen Bläsers und Sängers spreche, und nicht von alternativen - im weitesten Sinne - Entspannungsmethoden wie Yoga, Qigong, Alexander-Technik, Feldenkrais usw., denn - man muss dies in aller Deutlichkeit sagen - keine dieser Methoden beschreibt die Zusammenhänge der »Atemstütze«. Sie sind daher auch nicht geeignet, einen Bläser oder Sänger/Sprecher professionell in seiner Entwicklung zu führen!
Danach kommt beim Bläser die Artikulation, mittels der ich im Zusammenhang mit einer korrekten Atemführung die Leichtigkeit und Reserven (auch für den Ansatz) an der Literatur heraushole. Erst wenn diese Dinge funktionieren, hat es einen Sinn, am Ansatz zu arbeiten, wenn dieser fehlerhaft und umzustellen ist.
Jeder Teilbereich (Atmung, Zunge, Ansatz, Stimmtechnik) muss natürlich funktionieren, um auf ein professionelles Niveau kommen zu können, wenn aber die Atmung verkrampft ist, wirkt sich das in weiterer Folge fatal auch sofort auf alle anderen Bereiche aus. Es wird dann auch die Tonansprache/Artikulation leiden und die Zunge nicht schnell und locker genug sein. Lässt die Atemführung zu wünschen übrig, müssen die Lippen ungleich mehr Druck aushalten, was sich gerade im hohen Blechbläserbereich am schnellsten negativ auswirkt.
Um die Wertigkeit der Atemtechnik zu verdeutlichen möchte ich noch ein Beispiel anführen:
Selbst mit einem perfekten Ansatz (in Position, Kraft und Ausdauer) wird man High-notes niemals blasen können, wenn man nicht den entsprechenden Luftdruck aufbauen kann: LUFTDRUCK ist TONHÖHE, LUFTMENGE ist LAUTSTÄRKE; dies sind physikalische Grundgesetze. Dabei geht es dann aber noch darum, diesen LUFTDRUCK aufbauen zu können, ohne sich zu verkrampfen und einen Luftstau zu provozieren, die Luft trotzdem noch locker genug nach außen führen zu können.
Ein freier Atemfluss ist also von entscheidender Bedeutung, weshalb es für mich auch völlig unverständlich ist, dass dieser Fachbereich in unserem heutigen Ausbildungssystem kaum oder noch immer viel zu wenig Berücksichtigung findet. Betrachtet man die heutige Situation an unseren Musikhochschulen, Konservatorien etc., so wird der Fachbereich »Atemtechnik« bestenfalls als Nebenfach, oft auch nur in einer Blockveranstaltung angeboten. Häufig steht das Fach »Atemtechnik« fatalerweise gar nicht auf dem Lehrplan. Es besteht hier dringend Nachholbedarf, um erstens den Fachbereich »Atemtechnik« überhaupt zum Thema zu machen und zweitens längst überholte Lehrmeinungen bzw. Lehrmethoden zu überdenken und zu korrigieren.
Ein paar Zeilen zum Begriff »Atemstütze«, den ich neu definieren musste, weil ich keine für mich sinnvolle und logische Definition in der gängigen Literatur gefunden habe:
»Atemstütze« (Stütze) bezeichnet das Erzeugen einer LUFTSÄULE mit einem gewissen LUFTDRUCK für die jeweilige Tonhöhe. (Eine ausführliche Definition findet Ihr in meinem Fachbuch »Stütze!!?« vor.)
Wenn ich es in 10 – 20 Jahren geschafft habe, dass jeder Student an einer Hochschule diese Definition kennt, dann habe ich sehr viel bewegt, denn dann wissen alle zumindest darüber Bescheid, worüber bezüglich dieses Fachbegriffs konkret zu sprechen ist. (Der Begriff »Atemstütze« findet beispielswiese bis heute keinen Eintrag im »Duden«!)
Das eigentlich Bedenkliche an den meisten gängigen und für mich äußerst fragwürdigen Definitionen des Fachbegriffs »Atemstütze« (siehe meine Fachartikel!) ist, dass die zwei wichtigsten Begriffe, nämlich »LUFTSÄULE« und »LUFTDRUCK« gar nicht vorkommen. Die »Atemstütze« muss aber immer etwas mit dem Aufbauen einer Luftsäule mit entsprechendem Luftdruck für die jeweilige Tonhöhe zu tun haben.
Dann erst kann die Diskussion beginnen, wie man diese LUFTSÄULE und den LUFTDRUCK aufbauen kann, ohne sich zu verkrampfen.
Ich setze mich, seit ich mein Fachbuch »Stütze!!?« 1996 erstmals im Eigenverlag herausgegeben habe, unermüdlich dafür ein, diesem Fachbereich eine neue – heute leider bei weitem unterschätzte – Wertigkeit zu geben, um zukünftigen Generationen von Bläsern, Sängern und Sprechern in dieser Hinsicht eine seriöse Ausbildung zu ermöglichen. Ich möchte erreichen, dass die Studenten ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie WICHTIG dieser Fachbereich ist.
Bis dato – und das sei auch gesagt – wird ein Dialog dazu bis auf wenige Ausnahmefälle vor allem von den Sängern und Gesangspädagogen, aber auch im Bereich der Bläser konsequent verweigert, weil es offensichtlich schwerfällt, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und jahrzehntealte Gebräuchlichkeiten - auch wenn sie noch so unlogisch und falsch sind - loszulassen bzw. zu ändern.
Die Folge ist: Es wird heute wohl in kaum einem anderen Bereich rückständiger gearbeitet, als bezüglich »Atemtechnik« und »Atemstütze«. Es ist höchst an der Zeit, dass sich hier etwas ändert. Die Studenten sollten ihr Recht auf eine seriöse Ausbildung in der Art einfordern, dass man verlangt, den Fachbereich »Atemtechnik« im professionellen Sinn als einen der wichtigsten Themenschwerpunkte in den Lehrplan unserer musikpädagogischen Institutionen aufzunehmen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, dann wird sich in Zukunft in dieser Hinsicht etwas zum Positiven ändern lassen!
Es müsste das Ziel sein, dessen theoretische Analyse und in weiterer Folge dessen praktische Anwendung begleitend bis zur ökonomischen Umsetzung an der Literatur mindestens zwei Jahre lang im Studium verpflichtend festzuschreiben.
Bei den Bläsern konnte ich mittlerweile schon Einiges bewegen, in einigen Bereichen ein Umdenken bewirken; bei den Sängern ist die Situation aber noch um vieles schlimmer. Hier gibt es bis heute destruktiverweise nur eine kollektive Gesprächsverweigerung, obwohl das Niveau äußerst zu wünschen übrig lässt.
Zur letzten Frage:
Da ich sowohl als Trompeter als auch als Opernsänger professionell auf der Bühne gestanden bin, kann ich mit Sicherheit behaupten, dass dieses Prinzip von »Atmung + Stütze«, das ich in meinem Fachbuch »Stütze!!« beschreibe, gleichermaßen für alle Bläser (egal ob Holz- oder Blechbläser), für jeden Sänger (ob gänzlich ohne Stimmausbildung oder mit professioneller klassischer Stimmtechnik) und natürlich auch für sämtliche Sprechberufe gilt.
Das grundlegende Prinzip, die Bewegungsabläufe sind völlig identisch. Der Unterschied liegt lediglich in der Intensität und in den Spannungsverhältnissen, die sich durch die verschiedenen Widerstände der einzelnen Instrumente (Mundstück/Mundrohr), beim Sänger/Sprecher der Stimmritze (Glottis), ergeben.
Beim Sprechen hat man den geringsten Aufwand. Als Wagner-Sänger ist das schon mit Spitzensport zu vergleichen, es werden nur andere Muskelgruppen trainiert und eingesetzt. Als »High-note«-Trompeter hat man einen Luftdruck aufzubauen, der mitunter höher ist als in einem Autoreifen. Da hat man als Pädagoge schon eine große Verantwortung, denn wenn man hier mit Kraft arbeitet, kann das sehr problematische Auswirkungen haben, die im Extremfall bis zur Bewusstlosigkeit führen können.
Nähere Infos findet Ihr auf meiner Webseite
www.robertkreutzer.at;
Es gibt dort viele Hinweise bezüglich Atemtechnik, Ansatztechnik und Stimmtechnik, unter anderem auch zwei meiner Fachartikel in den jeweiligen Kurzfassungen, die ich auf Anfrage gerne GRATIS in PdF-Dateien zur Verfügung stelle.
Siehe dazu auch die Fachzeitschrift »das Orchester«:
Robert Kreutzer »Atemtechnik: Begriffsverwirrung "Stütze"«, 02/2005
Robert Kreutzer »Fehlinterpretationen des Fachbegriffs "Atemstütze"«, 10/2009
Die umfangreichen Langversionen beider Artikel findet Ihr in der 6., völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage, 2010 meines Fachbuchs »Stütze!!? – Atemtechnik für Bläser, Sänger und Sprecher. Theoretische Analyse und praktische Anwendung« vor, welches ich jedem Interessierten wärmstens empfehlen kann.
Für Fragen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, stehe ich gerne auch telefonisch (Handy +43(0)664 / 415 78 16) oder per E-Mail
info@robertkreutzer.at zur Verfügung. Wenn Interesse an einer effektiven Umsetzung der beschriebenen Technik in die Praxis besteht, biete ich auch Seminare und Privat-Unterricht an. Für Terminvereinbarungen bin ich ab 9 Uhr vormittags immer am Handy erreichbar! Einzelne konkrete Fragen im Forum werde ich gerne beantworten, soweit es meine Zeit zulässt.
Zum Abschluss:
Ich wünsche mir eine kreative und fruchtbare Diskussion, die dazu führt, dass die von mir angesprochenen Dinge weitergetragen werden, dass ich Mitstreiter für diese meine Herzensangelegenheit bekomme. Ich bin im Sinne der Sache für jede Unterstützung dankbar, um in diesem Fachbereich etwas bewegen zu können. Es geht um unsere jungen Talente und: wir können nur gemeinsam etwas bewegen!!!
Herzliche Grüße, Euer
Robert Kreutzer