Plastikinstrumente

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Moderator: Die Instrumentenbauer

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orlando_furioso
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Plastikinstrumente

Beitrag von orlando_furioso »

Hallo ihr lieben Instrumentenbauer,

vielleicht habt ihr Informationen für mich und die Community.

Ich fange jetzt nach den Ferien in zwei neuen Bläserklassen mit Unterricht für Trompete und Euphi an. Die Plastiktrompeten sind aus dem Rennen, da es inzwischen auch günstige Instrumente aus Blech gibt, die hinreichend gut für die Grundausbildung sind. Das Problem sind die Euphis ...

Vorletztes Jahr hatte ich ein coolwind ausprobiert welches überraschend gut war. Vor allem kleiner und viel leichter als ein Tenor/Bartion/Euphi aus Blech – ideal für Fünftklässler, die das Instrument mit Bus&Bahn in die Schule schleppen müssen.

Jetzt wollte ich welche für die neuen BK besorgen, aber ARTIS MUSIC hat den Vertrieb eingestellt (angeblich wegen "Qualitätsproblemen" wie man hört). Auch von Rheinsound/Tiger gibt es laut Internetseite welche, aber dort kein Hinweis auf einen deutschen Distributor, bei Amazon nicht verfügbar, keine Fundstelle bei Google ... still ruht der See.

Dann habe ich in UK bei gear4music ein playLITE Euphi gefunden. Der nette deutschsprachige Verkäufer an der Hotline konnte mir aber nicht viel technisches dazu sagen (coolwind Original, Customisierung oder Nachbau?) – und sie haben in UK nur noch 6 Stück und keine Information über mögliche Nachlieferungen.

Weiß irgend einer von euch was da im Hintergrund läuft? Ist Plastik durchgefallen oder machen die Blechhersteller druck? Man braucht sich nicht zu wundern, wenn so wenig Kinder tiefes Blech lernen, wenn die innovativen Instrumente (die es notabene gibt) nicht im Markt erhältlich sind! Jeder der mit einem Plastik-Euphi anfängt ist zwei Jahre später ein potentieller Käufer für ein "richtiges" Instrument aus Blech ...

Und wegen mir müssen die Dinger auch nur zwei Jahre halten – dann sind sie abbezahlt –> gelber Sack ...

:Hä:
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Wolfram
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Re: Plastikinstrumente

Beitrag von Wolfram »

orlando_furioso hat geschrieben: Samstag 18. August 2018, 15:05 Hallo ihr lieben Instrumentenbauer,
...
Weiß irgend einer von euch was da im Hintergrund läuft? Ist Plastik durchgefallen oder machen die Blechhersteller druck? Man braucht sich nicht zu wundern, wenn so wenig Kinder tiefes Blech lernen, wenn die innovativen Instrumente (die es notabene gibt) nicht im Markt erhältlich sind! Jeder der mit einem Plastik-Euphi anfängt ist zwei Jahre später ein potentieller Käufer für ein "richtiges" Instrument aus Blech ...
Hallo,
In meiner vorigen Tätigkeit habe ich 10 Jahre lang Blasinstrumente für einen der größten Musikgroßhändler der Welt auswählen und einkaufen dürfen.
Egal auf welcher Musikmesse ich war... ob in Frankfurt oder Shanghai, die Plastikinstrumente haben mich als Instrumentenbauer nie überzeugen können. Weder musikalisch noch technisch. Das Gewicht der Instrument reichte für mich alleine nicht als Verkaufsargument. Die Instrumente klangen einfach nach Nichts, die Ventile waren schon nach wenigen Tagen auf der Messe verklemmt und hakend... Viele der Instrumente sind in der Intonation vollständig daneben. Pumpventile aus Aluminium zu fertigen finde ich als Fachmann zu anfällig und kurzlebig.

Mit Sicherheit gibt es keinen Druck der "Blechhersteller". Hier ist freier Markt für alle Anbieter. Aber, wenn die Qualität nicht ausreicht, dann muss man solche Instrumente auch nicht ins Sortiment nehmen. Unsere Firma (neben zwei weiteren Mitbewerbern in Deutschland) ist zwar bekannt für bezahlbare Einsteiger-Instrumente, aber anders als andere Anbieter werden unsere Instrumente in Europa ausgepackt, überprüft und zertifiziert. Der Kunde soll ein Instrument bekommen, dass nicht nur musikalisch ansprechend ist, sondern auch nach mehr als zwei Jahren noch benutzbar ist. Übrigens sind 4-ventilige Baritons weniger als 3,5 kg schwer. Mit Koffer können es allerdings bis zu 9 kg werden. Wenn man allerdings ein gut gefütterte Stofftasche (mind. 3cm Schaumdicke) benutzt, kann man auch hier beim Transport das Gesamtgewicht deutlich reduzieren.

Meine Empfehlung: Legt euch als Musikverein einen Schwung bezahlbare Einsteiger-Instrumente aus Blech zu die ihr ausleiht, in den Sommerpausen in die Instrumentenbauer-Werkstatt gebt und dadurch mehrere Jahre im Einsatz bleiben können.

Übrigens sollte man wissen, dass die Bezeichnungen für Tenorhorn, Bariton und Euphonium im internationalen Vergleich sehr leicht verwirren können.
Das deutsche "Tenorhorn" ist englisch ein "Baritone". Das deutsche "Bariton" ist englisch ein "Euphonium" und das in Deutschland als "Euphonium" bekannte Instrument (meist mit 4 vollkompensierten Ventilen) wird im englischen "Professional Euphonium" benannt. Komplizierter wird es im französisch sprechendem Raum, da sind die Bezeichnungen nochmal anders.
LG, Wolfram
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orlando_furioso
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Re: Plastikinstrumente

Beitrag von orlando_furioso »

Lieber Wolfram,

vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort. Von mir noch ein paar Bemerkungen dazu:

In meinem Fall ist es so, dass ich auf eigene Kappe über eine freie Musikschule in den Schulen unterrichte (das geht nicht über einen Verein). In der einen Schule ist das Angebot ganz neu, in der anderen etabliert, aber es gab bisher aus Lehrermangel keinen Unterricht im Blech- und Holzbereich (nur Streicher etc.). In der ersten Schule konnte ich klären, dass der Förderverein die Instrumente anschafft, in der anderen muss ich wohl - wie alle anderen Lehrer auch - die Instrumente selbst beschaffen und im Rahmen des Ausbildungsvertrages verleihen. Das lässt sich mit einem Satz Trompeten noch machen, aber nicht im TB-Bereich. Im übrigen gibt es hier im Norden der Republik diese strenge Unterscheidung zwischen Tenor und Bariton nicht wie im Süden. Ausser in irgendwelchen "Bayernkopien" oder Orchestern mit expliziter "böhmisch-mährischer" Ausrichtung geht hierzulande die Tendenz definitiv zum Euphi. Gerade in den modernen Stücken aus Holland (aber auch aus D) werden explizit inzwischen meist Euphis besetzt.

Dazu kommt: bei den Kindern (wir sprechen von Fünftklässlern), die in der Regel aus nicht (besonders) musikalischen Haushalten kommen (wir sind das Land der Trommeln und Pfeifen aus preußischer Tradition heraus) mutet ein Tenorhorn einfach alt und muffig an. Es gibt hier einfach zu wenig Kapellen, wo die Kinder sich einen Eindruck über das Instrumentarium verschaffen können ...

Das coolwind fand ich soweit ganz in Ordnung was Intonation und auch den Klang betrifft. Dazu muss man bedenken, dass die Musiker ja blutige Anfänger sind. Ich sehe die Plastikeuphis da wirklich als "Wegwerfprodukt" (auch wenn ich persönlich überhaupt kein Freund von solchen Dingen bin). Die Kinder spielen zwei Jahre damit (solange läuft der Vertrag), dann ist das Teil auch abbezahlt und kann ab in die gelbe Tonne. Meinst du die Kiddies kommen in den zwei Jahren an die Grenzen des Instrumentes heran? Ich möchte das doch bezweifeln, denn wir machen in den Schulen ja keine individuelle Ausbildung, sondern Gruppenunterricht. Und die Leistung orientiert sich am gesamten Orchester. Da sind wir nach zwei Jahren erfahrungsgemäß niemals so weit wie im Einzelunterricht ...

Ich hab jetzt unterm Schreiben mal kurz gegoogelt, weil mir sind die Baritone in BrassBand-Bauweise eingefallen. Die sind ja lange nicht so schwer wie Euphis – und lange nicht so teuer. Vielleicht könnte das eine Alternative sein :Hä: :licht:
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Re: Plastikinstrumente

Beitrag von Wolfram »

genau... wir reden hier von Instrumenten mit Pumpventilen... und da gibt es spielbare Baritons bereits ab 700 Euro.
Bedenke, dass die Bezeichnung Euphonium in Niederländischen Noten in Deutschland das Bariton mit 4 Pumpventilen meint.
Steht in den Noten Baritone, dann ist es in Deutschland das Tenorhorn mit 3 Pumpventilen.

Das ist schon ziemlich verwirrend. Jahrelang habe ich die technischen Beschreibungen von Blasinstrumenten für Webseiten und Kataloge in 4 Sprachen schreiben müssen... ich war tagelang beschäftigt... :roll: und froh, wenn ich anschließend wieder mit den Musikinstrumenten arbeiten durfte.

Hast du schon Erfahrungen mit Plastikinstrumenten im Dauereinsatz?
Ich hatte in meiner Jungbläsergruppe einen Posaunisten. Er hat keine 2 Jahre auf dem Instrument ausgehalten... Der Zug war viel zu schwergängig.
Mich würde es mal interessieren, welche Erfahrungen ihr über längere Zeit mit Pumpventilen gemacht habt.
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Re: Plastikinstrumente

Beitrag von orlando_furioso »

Da gebe ich dir völlig recht: die Bezeichnungen sind die Hölle!
Allerdings: Es ist ein Schulorchester, dass bisher nur aus Streichern und ein paar Holzbläsern besteht. Die Stücke sind eh selbst geschrieben und können angepasst werden – ein 4. Ventil ist eigentlich nicht nötig, wobei die Plastkeuphis ja 4 haben. Die Streicher spielen in B-Stimmung, damit es nicht zuviele Vorzeichen für eine der Gruppen gibt.
BEDENKE: das sind 5 und 6klässler, die zumeist noch nicht mal eine musikalische Früherziehung, geschweige denn Pflockblöte hatten, also allerunterstes Niveau. Ich habe das jetzt seit 2 Jahren bestehende Orchester gehört und bin mir sicher, dass meine Bläser die Stücke nach einem 1/2 Jahr drauf hätten, aber die Langsamsten bestimmen das Tempo ...
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