Schallstuecke/Herstellung

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Moderator: Die Instrumentenbauer

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schattie280
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Selbstbau I: Hoch B/A, Drehventilmaschine mit Minibal/Kreuzgelenken von Glas, Bohrung 10,4mm, Becher 100/0,4mm von Sandner)
Selbstbau II (Drehventil, Voigt-Maschine, Sandner-Becher 140/0,4mm Kupfer, Doppeltrigger, tauschbares Mundrohr)
Selbstbau III (Drehventil, Voigt Maschine m. Kreuzgelenk, Becher 140/0,4mm Goldmessing)
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Re: Schallstuecke/Herstellung

Beitrag von schattie280 »

schattie280 hat geschrieben: Freitag 27. August 2010, 19:45 ..
Industriell gefertigte Schallstücke werden hydraulisch gebogen und mit Wasser in einer Form "aufgeblasen", also geglättet.
Nicht immer sind die Schallstücke aus einem Stück. Häufig wird der Rand und der Rest tiefgezogen und zusammengelötet.

Von Hand gefertigte Schallstücke werden aus Blattzuschnitt gefertigt. Dabei werden die Ränder verzahnt und die Naht mit Schlaglot verlötet und glatt gehämmert. Dann wird das Schallstück auf einer Drückbank gedreht und in Form gebracht. Zum Schluß wird auf der Drückbank der Rand umgebördelt und der Draht eingelegt. Auf http://www.schallstueck.de gibt es ein schönes Video dazu. Bei Youtube kann man nach Yamaha und Getzen suchen, da findet man Firmenvideos zum Thema.
Danach wird das fertige und noch gerade Schallstück am dünnen Ende verstopft und mit Blei (oder Xeropend oder gefrorenem Eis-/Seifenwasser) ausgegossen und auf einer Form oder mit einer Biegegabel rund gebogen. Die dabei entstandenen Falten werden mit Auspocheisen geglättet / verpocht. Danach wird die Füllung wieder ausgeschmolzen.

..
Gruß,
Schattie
Moin,

zum Thema Xeropend (oder auch Xerobend), weil es mich gerade umtreibt:
Das war wohl ein Markenname, der nicht mehr in der Google-Suche auftaucht. Damit war ein Woodsches Metall gemeint. Woodsche Metalle haben den Vorteil, dass sie einen sehr geringen Schmelzpunkt haben, der zum Teil sehr deutlich unter 100° liegt. Woodsches Metall lässt sich bei ca. 70° schmelzen, ist aber wegen des Cadmiums nicht optimal.
Ich benutze Roses Metall (52Bi/32Pb/16Sn), das bei ca. 95° schmilzt und kein Cadmium enthält. Es hat im Rohr die gleichen Eigenschaften wie Blei, lässt sich ähnlich biegen, verpochen etc. Nach dem Ausschmelzen kann es beliebig oft wiederverwendet werden. Es ist zwar deutlich teurer als Blei (~55€/kg), aber dafür leichter zu verwenden und weniger gesundheitsschädlich.
Es wird auch im Metallblasinstrumentenbau verwendet, aber der Hersteller wollte mir keinen Einblick in seine Kundendatei geben. ;-)

Gruß,
Schattie
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Trumpetjörgi
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Re: Schallstuecke/Herstellung

Beitrag von Trumpetjörgi »

Hallo Schattie, Du warst jetzt gefühlt lange nicht anwesend, oder täusche ich mich?
Zum Xeropend: Ich habe es auf dm Barocktrompetenbaukurs 2006 in Kremsmünster kennengelernt. Wir haben damit unsere aus Blattzuschnitt gelöteten dann gezogenen Bögerl gebogen.
Das ging echt super und das "Ausschmelzen" erfolgte im Wasserbad, anschließend war der nächste Kursteilnehmer dran..
Der Michael Münckwitz hat nur peinlich drauf geachtet, dass nichts verschüttet wurde weil wohl schweineteuer.
Der Peter Baumann und die Firma Ewald Meinl verwenden nur Blei mit der Aussage: " Es gibt nichts Besseres."
Wo ist jetzt die Wahrheit?
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schattie280
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Re: Schallstuecke/Herstellung

Beitrag von schattie280 »

Moin,

wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Jeder darf ja für sich entscheiden, womit er arbeitet und was ihm am besten gefällt und welche Vor- und Nachteile für ihn entscheidend sind.
So absolute Aussagen halte ich immer für schwierig. Häufig kennt man auch nichts anderes. Habe ich als "Seiteneinsteiger" öfters erlebt.
Sehr interessant zu dem Thema sind die Videos von Böpple und Gebr. Alexander.
Böpple biegt in Blei, traditionell, aber auch gefährlich (wird im Video deutlich thematisiert). Alexander biegt Einzelstücke in Blei. Beide benutzen Öl als Trennmittel, damit sich das Blei nicht mit dem Messing verbindet. Ich nehme Getriebeöl, wird auch wiederverwendet. Auch ein Nebenefekt: Blei verbrennt das Öl teilweise, bei Roses Metall dampft nichts.
Bei Manufaktur oder Industrie sind Geschwindigkeit und Kosten relevant. Alexander (und Yamaha und Getzen usw.) biegen mit Eis. Schnell, sauber. Gebogen wird mit Biegegablt, entweder per Hand oder auf Knopfdruck. Danach stört das Eis, was eh schnell schmilzt. Denn der Schall wird im nächsten Schritt hydraulisch in einer Form aufgeblasen und damit alle Falten innen und außen beseitigt. Sehr schön dazu ein Video von Conn aus dem Jahr 1937 (sic!). Bei Einzelstücken wie z.B. bei Böplle erfolgt nach dem manuellen Biegen das Entfernen der Falten mittels Hammer, Auspocheisen, Feile, Schleifband. Das dauert etliche Stunden und daher muss ein Füllmaterial dauerhaft im Rohr verbleiben. Eis passt da eben nicht.
Sehr interessant ist auch das Biegen von Zugrohren, am Beispiel der Schlaufen für 1./3. Zug am Waldhorn: Was man bei Alexander nicht oder nur ganz kurz sieht (es gibt 3 Videos): beim maschinellen Ziehen/Biegen wird das Rohr von einem Dorn heruntergezogen und um eine Matrize gezogen. Vorne am Dorn sind mit einem Drahtseil ein oder mehrere bewegliche Bolzen befestigt, die am Anfang innen die Falten glattziehen. Statt hydraulisch aufgeblasen wird dann mit Kugeln kallibiert.
Roses oder Woodsches Metall beinhaltet als Eutektikum ebenfalls Blei, die Eigenschaften im Rohr sind ähnlich. Und es wird auch von anderen Herstellern verwendet, s.o. Der Weg ist also nicht so ganz falsch, wie du selbst im Lehrgang erlebt hast.

Gruß,
Schattie
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