Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

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Moderator: Die Instrumentenbauer

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Cavaillé
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Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Cavaillé »

Liebe Instrumentenbauer,

jeder von Euch hat ja wahrscheinlich Geheimnisse (Schallstückformen, Mundrohrquerschnitte etc.), die bestimmte Klangcharakteristiken erzeugen. Wo kann man darüber mehr erfahren ? Hatte vor einiger Zeit den Dullat-Metallblasinstrumentenbau gekauft, der mich aber diesbezüglich enttäuscht hat. Leider möchte ihn auch keiner der Forumsmitglieder mehr haben.
Also wo kann man mehr zu diesem Thema lesen ? Oder ist alles "try and error" mit endlosen Versuchsreihen und am Ende steht ein Prototyp und dann vielleicht ein Produkt ?
Mich interessieren lediglich Grundprinzipien, z.B. warum eine Piccolotrompete einen kleineren Querschnitt hat als eine B-Trompete, oder wie würde eine B-Trompete mit dem Querschnitt einer Piccolotrompete klingen ?

Hoffe, ich habe mich verständlich und nicht völlig naiv ausgedrückt.

Dank und Grüße, Thomas
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Singvögelchen
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Singvögelchen »

Hallo Thomas,

wahrscheinlich wäre der leichteste Weg, mal ein Praktikum bei einem Instrumentenbauer zu machen. Du solltest dafür allerdings in deinem Bewerbungsschreiben verfängliche Angaben wie Alter und akademische Grade verbergen. Sonst bieten dir die noch die Stelle vom Geschäftsführer an :lol:

Nicht völlig abwegig ist der Münkwitzsche Instrumentenbaukurs, da lernt man so gar vieles über das eigentliche Handwerk, aber die Schallstückformen und Mensuren rückt keiner gerne raus. Den Dullat habe ich auch, fand ihn teilweise nicht schlecht, aber zu einseitig technisch.

Bei "meinem" Instrumentenmacher war es schon so, dass er früher während der Reparaturen verschiedenster Typen immer wieder alles vermessen und verglichen hat, daraus dann seine eigenen Schallstückformen entwickelt hat. Und immer mehrere Varianten, dicht beieinanderliegend, zum Testen da hatte. So hat sich das Ganze immer weiter eingeengt und nun ist es ein Verkaufsschlager geworden. Da war ganz viel Bauchgefühl mit dabei.

Die ganz streng wissenschaftliche Vorausberechnung einer Trompete gibt es nicht, sonst könntest du dir bald dein Lieblingsinstrument am 3D Drucker selber basteln.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Wolfram
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Wolfram »

Hallo Thomas,

wie unser Singvögelchen schon geschrieben hat - jeder Instrumentenbauer hat so seine eigenen persönlichen Erfahrungen und wird sie schwer "preis geben".
Fachbücher - zu dem zeitgemässe - sind Mangelware.
Einen Tip will ich dir trotzdem geben. Forschungsinstitute leben davon neutral und unabhähgige Studien zu machen (manchmal auch im Auftrag). Die Fachleute müssen ja an Ihre Titel kommen und entsprechende Publikationen schreiben!
Eines der fleissigsten Institute in unserer Branche ist in Wien das "Institut für Wiener Klangstil". Es beschäftigt sich schon lange nicht mehr nur mit der Wiener Vergangenheit, sondern ist eines der führenden Institute in der Forschung von Musikinstrumenten. Sie haben einige Ergebnisse publiziert. Verschiedene Studien sind gratis zu lesen andere käuflich zu erwerben.
Schau mal hier:
http://iwk.mdw.ac.at/lit_db_iwk/index.p ... d=CL&LST=3
Vielleicht ist das passende für dich dabei?
LG Wolfram
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Singvögelchen »

:gut: :gut: :gut:
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Cavaillé
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Cavaillé »

Danke, dass Ihr Euch der Frage so wohlwollend angenommen habt.
Ich hatte in der Tat gedacht, es gäbe eine "Bibel des Metallblasinstrumentenbaus" oder etwas ähnliches, das einem z.B. die Frage beantwortet, warum ein Büchel-Mundrohr einer alten Monke C-Trompete die Gurkenintonation austreibt.
Das mit dem Praktikum kann ich leider zeitlich nicht realisieren, den Münkwitz habe ich auch schon ins Auge gefasst (hat ja schöne Videos auf seiner Hompage), warte aber schon seit 2 Wochen auf eine Antwort auf meine Anfrage nach den aktuellen Terminen für 2014.
Das Institut für Wiener Klangstil ist sicherlich eine der ersten Adressen, aber ich würde ja auch nicht bei einem banalen Spannungskopfschmerz die aktuelle Studienlage in einer Medizin-Datenbank recherchieren.
Wenn ich das also richtig verstanden habe, ist das meiste Tradition und Ausprobieren.
Welche Rolle spielt denn eigentlich das Messen dabei ? Ich meine jetzt das Bias System für PC. Haben das die meisten Instrumentenbauer ? Was treiben sie damit ?

Dank und Gruß, Thomas
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Singvögelchen »

Soweit ich weiß, hat mein (unser?) Instrumentenbauer so ein Messsystem nicht. Macht alles aus dem Bauch heraus, bis es passt und lässt es dann extern auch mal durchmessen.
Immerhin haben das Chicago Symphonie Orchestra und die Metropolitan Opera in New York jetzt dort Spitzeninstrumente geordert.

Dann gibt es auch noch ein paar "Fummler" unter den Instrumenmachern, die messen jedes einzelne Bauteil vorher aus und setzen danach zusammen. Auch dort kommen zum Teil geniale Instrumente raus, jeder macht halt wie er es am besten kann.

Habe übrigens letztens eine komplett neu entworfene und erstmalig zusammengebaute B-Trompete von unserem User Wolfram testen dürfen. All sein Fachwissen, welches er uns hier niemals vorenthält, hat er dort mit reingepackt: Testurteil von mir: hervorragend. Mit einer recht einfachen und preiswerten Maschine ausgestattet, war diese Trompete zwar für meinen täglichen Orchesterdienst ein wenig zu eng konstruiert, aber in Ansprache und Intonation richtig super. Für denjenigen Posaunenchorbläser, der diese tolle Trompete bekommt, ist dieses Instrument wie ein Sechser im Lotto.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Wolfram »

Cavaillé hat geschrieben:Danke, dass Ihr Euch der Frage so wohlwollend angenommen habt.
Ich hatte in der Tat gedacht, es gäbe eine "Bibel des Metallblasinstrumentenbaus" oder etwas ähnliches, ...
Hallo Thomas,
Die sogenannte "Bibel" des Metallblasinstrumentenbaus war das Werk von Karl Nödl aus dem Jahre 1970 !!!
... inzwischen aber deutlich veraltet und kaum noch anwendbar...

Bild
Cavaillé hat geschrieben:...
Wenn ich das also richtig verstanden habe, ist das meiste Tradition und Ausprobieren.
Welche Rolle spielt denn eigentlich das Messen dabei ? Ich meine jetzt das Bias System für PC. Haben das die meisten Instrumentenbauer ? Was treiben sie damit ?...
Mit BIAS arbeiten viele - aber nicht alle meiner Kollegen...
Effektiv ist es, wenn man einzelne Bauteile ausprobieren will. Ich kann zum Beispiel unterschiedliche Mundrohre machen und sie jeweils angelötet am Instrument ausprobieren. BIAS zeigt mir dann welches Mundrohr die beste Intonation hat oder die Ansprache erleichtert. Auch passende Mundstücke kann ich dazu ausprobieren...
BIAS hilft auch in der Serienproduktion einzelne Bauteile in einer gleichbleibenden und kontinuierlichen Qualität zu bauen.
Und am Ende der Produktion kann ich ein Zertifikat machen das dem Musiker die Intonation des Instrumentes zeigt.
Cavaillé hat geschrieben:... das einem z.B. die Frage beantwortet, warum ein Büchel-Mundrohr einer alten Monke C-Trompete die Gurkenintonation austreibt.
Mein werter Kollege Büchel ist ein Meister seines Fachs, der auf Grund seiner Erfahrung mit den Monke Trompeten (hatte seine Ausbildung bei Monke) deren Schwachpunkte kennt und weiss, wie er sie beseitigen kann.
Das könnten sicher auch andere Kollegen erreichen - bräuchten dazu aber einige Zeit und Tests. Warum also das "Rad" zweimal erfinden, wenn es doch schon vorhanden ist?
LG Wolfram
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Brassissima »

Guten Tag Forumsmitglieder!

Nachdem ich seit einigen Jahren als "Zaungast" mitlese habe ich mich heute registriert.

Im Brassissima Projekt versuche ich Blechblasinstrumenten speziell Trompeten – auch mit Hilfe von EDV – die letzten Geheimnisse zu entlocken um diese optimieren zu können. Die Materie beschäftigt mich als ambitionierter Trompeter mittlerweile schon seit über 20 Jahren.

Da ich im Internet und in Fachbüchern auf zahlreiche offene Fragen keine Antworten gefunden habe, habe ich im letzten Jahr anhand einer virtualisierten Trompete selbst verstärkt Forschungen angestellt und eine umfangreiche Dokumentation zum Projekt erstellt. Interessierte Personen können diese 3teilige Dokumentation von meiner Webseite herunterladen (PDF). Teil 3 ist derzeit noch in Arbeit. Die Projektseite ist über den link http://www.preisl.at/brassissima/ zu erreichen. Ich denke, da werden alle - inkl. Instrumentenbauer viel neues erfahren können, über Feedback freue ich mich!
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Singvögelchen »

Uff...sehr schwer verdaulich. Und ich hab früher schon die stehende Welle im Instrument nicht begriffen.
Nach dieser Fleißarbeit kann man nur die Daumen drücken, dass es in der Realität umsetzbar ist, das perfekte Instrument.

Ich meld mich schon mal an zum Probespielen. :trumpet2:
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Bixel »

Rausgehen ist wie Fenster Aufmachen, nur viel krasser.
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von posaune »

Brassissima hat geschrieben: Sonntag 23. September 2018, 15:17 Im Brassissima Projekt versuche ich Blechblasinstrumenten speziell Trompeten – auch mit Hilfe von EDV – die letzten Geheimnisse zu entlocken um diese optimieren zu können.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt wohl auch das "Institut für Wiener-Klangstil"

viewtopic.php?f=22&t=3910
https://www.artim.at/?page_id=8&sprache=1
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von lurchi »

Ich kann auf die Schnelle leider keine Infos zu nichtlinearen Effekten (Schockwellen) finden obwohl die im forte-Bereich eine erhebliche Rolle spielen. Ist das irgendwo berücksichtigt?
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RE: Schockwellen

Beitrag von Brassissima »

Das Thema "Gewichtung" /Weighing - nach Dr. Klaus Wogram wokustik googlen - beschreibt die Situation, daß bei höheren Lautstärken die Schwingungen der Lippen nicht mehr als linear / sinusförmig angesehen werden können. Die resultierende Tonhöhe wird sich daher mit der Lautstärke ändern. Das ist wirklich essentiell und muß berücksichtigt werden. In meinen Beispielen entspricht Gewichtung 0 = gleich ppp; Gewichtung A = ~ mezzoforte-Level Gewichtung B ~ fortissimo; Ein "sfz" habe ich nicht untersucht. Die höheren harmonischen beeinflußen den tieferen Grundton umsomehr umso höher deren Impedanz ist. Einfaches Beispiel: ein (nicht gespieltes) C3 daß einigermaßen stimmt drückt ein zu hohes C2 im pp auf ein besser stimmendes c2 herunter - sobald das C2 etwas "lauter" geblasen wird. Würde aber zb durch eine Änderung die Impedanzmaxima von C3 verschlechtert, so wäre 1. das C3 schlechter zu spielen, 2. auch das c2 würde dann weniger nach unten korrigiert.
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von Brassissima »

Liebes Forum! Meine Arbeiten sind nun in einer 2. revidierten, Version verfügbar. Die Projektseite ist über den link http://www.preisl.at/brassissima/ zu erreichen
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Re: Geheimnisse der Zunft - wo kann man mehr erfahren ?

Beitrag von knatterbock »

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