Ventileinziehwerkzeug

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Moderator: Die Instrumentenbauer

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GT-Karl
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Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von GT-Karl »

Hallo zusammen,

eine Frage an die Drehventilfachleute: Als alter Metallfacharbeiter interessiert mich die Funktionsweise des Ventileinziehwerkzeugs, ich habe es im Katalog von Böhm gesehen, ich denke die Bezeichnung ist für den Laien etwas irreführend. Es geht wohl nicht um das Einziehen des Wechsels in die Ventilbüchse.....!

Vielleicht kann einer der Profis hier im Forum ein paar klärende Worte beisteuern :) !

Gruß

Karl
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schattie280
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von schattie280 »

Moin,

es geht um die Lagerhälse der Drehventile, also oberen Lagerhals (das "Loch" wo der Wechselstift herausragt) und das Lach im unteren Lagerdeckel.
Haben die Drehventile Spiel, können mit diesem Werkzeugt die Lager "eingezogen", also zusammengedrückt, werden.
Das Werkzeug enthält mehrere Spannzangen mit verschiedenen Durchmessern, die vorne in das Werkzeug eingesetzt und mit dem Handrad in das Werkzeug hineingezogen werden.
Dadurch wird die Spannzange zusammengezogen, der Durchmesser verringert sich, auf die Lager wird Druck ausgeübt und dadurch der Lagerhals an das Ventil gedrückt.
Da die Spannzange vorne scharfkantig ist, kann man bis auf den Boden der Lagerdeckel einwirken. Der Druck wird an mehreren Stellen der Lagerhälse gegeben, um ein gleichmäßiges Ergebnis zu haben. Die Prozedur ist recht kraftaufwändig.
Anschließend muss das Ventil neu eingeschliffen werden. Danach hat es kein Spiel mehr und läuft wieder wie neu.
Wenn auch noch vertikales Spiel dazu kommt, kann man Ventil und Lagerdeckel ganz leicht abdrehen, damit es tiefer sitzt. Die Ventile sind leicht konisch, daher sitzen sie nach dem Abdrehen und eventuellem Einschleifen wieder spielfrei in der Ventilbüchse.
Die Ventile einiger Hersteller (B&S, Glas etc.) sind so gebaut, dass bei einem neuen Ventil der Lagerdeckel nicht ganz in das Gehäuse passt, damit man es bei Verschleiß nachstellen kann.

Gruß,
Schattie
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GT-Karl
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von GT-Karl »

Hallo Schattie,
vielen Dank für die ausführliche und verständliche Erklärung, man könnte den Vorgang also grundsätzlich auch auf einer Drehbank mit Spannzangenvorrichtung ausführen? Würde aber wohl von der Handhabung schwierig, denke ich mir. Ich gehe mal davon aus, dass bei dem Einziehen der Wechselstift fest im Lagerhals sitzt, oder wird die Lagerbüchse "leer" eingezogen?
Beim Abdrehen des Ventils nimmt man wohl nur sehr wenig von der Plananlagefläche des Wechsels ab, sonst würde doch "Übergangskanten" entstehen, schätze mal im Hundertstel mm Bereich.

Zugegeben, ich habe keine Ahnung, aber das vertikale Spiel würde ich zuerst behandeln, da ja durch das "Tiefersetzen" auch das Spiel in der konischen Lagerbuchse kleiner wird.....!

Sehr interesannter Stoff jedenfalls und nochmal vielen Dank für die Aufklärung !

Gruß

Karl
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Wolfram
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von Wolfram »

GT-Karl hat geschrieben: Dienstag 23. Juli 2019, 09:49 .... Ich gehe mal davon aus, dass bei dem Einziehen der Wechselstift fest im Lagerhals sitzt, oder wird die Lagerbüchse "leer" eingezogen? ...
Richtig, Eingezogen wird immer mit dem eingebauten Wechsel, damit nicht zu viel eingeengt wird.
LG, Wolfram
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von GT-Karl »

Also man kann die Lager auf einer Drehbank einziehen, allerdings braucht man zwei Leute: Einen, der die Trompete an die Spannzange heranführt (umgekehrt geht wegen 700kg Drehbankgewicht schlecht :wink: ) und den Anderen, der die Spannvorrichtung betätigt.......!

Keine Angst, ich will den Profis nicht ins Handwerk pfuschen, aber als altem Werkzeugmacher ist mir der Hang zum Selbermachen und Ausprobieren von solchen Arbeiten irgendwie in die Wiege gelegt worden......!

Und.....es war keine Monke oder Scherzer,....... hat aber hervorragend funktioniert!!

Gruß

Karl
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Wolfram
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von Wolfram »

GT-Karl hat geschrieben: Montag 29. Juli 2019, 01:08Also man kann die Lager auf einer Drehbank einziehen, ... hat aber hervorragend funktioniert!!...
Hallo Karl,
das freut mich für dich!
Wenn das Wechsellager richtig eingezogen wurde ist anschließend noch ein erneutes Einläppen der Stiftverbindungen im eingebauten Zustand nötig (mit 1000er Körnung). Hast du das auch hinbekommen?
LG, Wolfram
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von GT-Karl »

Hallo Wolfram,
Das Einziehen habe ich in zwei Ebenen , ganz unten am Fuss und etwas oberhalb der Mitte des oberen Wechsellagers gemacht und jeweils mit einem 60° Versatz wiederholt bis ein leichtes "Klemmen" spürbar war, das Gleiche , allerdings nur in einer Ebene mit dem unteren Lager am Sprengdeckel, (vorher hatte ich die obere Anlage des Wechsels plangezogen, etwa 0,1mm Zustellung waren dazu nötig! Den Sprengdeckel am Absatz vorsichtig um etwas mehr als 0,1mm abgedreht und damit das Höhenspiel fast ganz beseitigt. Mit einer selbstgemachten Handkurbel und feiner Schleifpaste habe ich die Lager eingeläppt bis sie beim Drehen mit den Fingern noch ein paar Umdrehungen "nachlaufen" . Radiales Spiel ist nicht mehr fühlbar, das axiale Spiel ist gerade noch spürbar, aber geringer als bei den anderen Ventilen 2 und 3! War übrigens ziemlich aufwendig die Schleifpaste wieder vollständig aus dem Ventil zu beseitigen. Für die ganze Aktion sind so etwa 2Stunden draufgegangen, wobei das eigentliche Einziehen dank Hebelschnellspanneinrichtung in wenigen Minuten erledigt war.

Die 70 Jahre alte Trompete war nicht mehr spielbar wegen des hängenden und offensichtlich ausgeschlagenen oberen Lagers am 1. Ventil, welches durch diesen Zustand darüber hinaus wohl auch noch ziemlich undicht war. Jetzt "ploppt" es wieder wenn man den 1. Ventilzug zieht und man kann sie auch wieder spielen, der Klang ist noch brauchbar, wenn auch nicht berauschend....! Uber dieses Thema können wir ja in einem anderen aktuellen Thread hier gerade sehr interessante Beiträge lesen......, da bin ich aber froh, dass alte Drehbänke bei guter Pflege scheinbar nicht solchen "Zersetzungsprozessen" unterliegen! Die Leinen u. Boley LZ40 auf der ich das gemacht habe ist noch ein paar Jahre älter als die Trompete (Baujahr 1943) und immer noch unschlagbar genau :? !

Vielen Dank nochmals für eure Infos und wie gesagt, ich mach sowas nur für mich selber und gehe gerne zu meinem Instrumentenbauer, der aber kein Drehventilexperte ist bzw. eine Reparatur für unwirtschaftlich hielt! Damit hat er wahrscheinlich Recht, aber mir macht es Spaß und das ist sowieso unbezahlbar :D !

Gruß

Karl
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von GT-Karl »

Vielleicht noch als kleine Ergänzung, warum man an so einem Instrument solchen Aufwand betreibt. Da kann es ja nur um Emotionen gehen. Diese Drehventiltrompete aus der Werkstatt von Albin Feiler aus Marktneukirchen war meine erste Trompete, die mir mein Vater vor über 50 Jahren geschenkt hat, um das Spielen darauf zu lernen..... so was gibt man nicht weg! Ich bin sicher, der Ein oder Andere hier im Forum wird das verstehen!

Gruß

Karl
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von Wolfram »

GT-Karl hat geschrieben: Freitag 2. August 2019, 22:55 Hallo Wolfram,
Das Einziehen habe ich in zwei Ebenen , ganz unten am Fuss und etwas oberhalb der Mitte des oberen Wechsellagers gemacht und jeweils mit einem 60° Versatz wiederholt bis ein leichtes "Klemmen" spürbar war, das Gleiche , allerdings nur in einer Ebene mit dem unteren Lager am Sprengdeckel, (vorher hatte ich die obere Anlage des Wechsels plangezogen, etwa 0,1mm Zustellung waren dazu nötig! Den Sprengdeckel am Absatz vorsichtig um etwas mehr als 0,1mm abgedreht und damit das Höhenspiel fast ganz beseitigt. Mit einer selbstgemachten Handkurbel und feiner Schleifpaste habe ich die Lager eingeläppt bis sie beim Drehen mit den Fingern noch ein paar Umdrehungen "nachlaufen" . Radiales Spiel ist nicht mehr fühlbar, das axiale Spiel ist gerade noch spürbar, aber geringer als bei den anderen Ventilen 2 und 3! War übrigens ziemlich aufwendig die Schleifpaste wieder vollständig aus dem Ventil zu beseitigen. Für die ganze Aktion sind so etwa 2Stunden draufgegangen, wobei das eigentliche Einziehen dank Hebelschnellspanneinrichtung in wenigen Minuten erledigt war. ...
Lieber Karl,
Danke für deine ausführliche Beschreibung. Mit meiner Nachfrage ging es mir darum, zu verdeutlichen, dass für die Arbeit des Einziehens am Drehventil nicht nur das fachmännische Beherrschen des Einziehwerkzeuges erfordert, sondern auch entsprechende Nacharbeiten notwendig sind...
Für all diese Arbeitsgänge sind nicht nur geeignete Werkzeuge sondern auch die handwerkliche Kenntnis nötig, worauf es bei diesen Arbeitsschritten ankommt. Die Schwierigkeit und handwerkliche Fertigkeit sind in deiner Beschreibung sehr gut rüber gekommen. Danke!
Ich als Handwerksmeister mache die gleichen Arbeitsschritte wie Karl beschrieben hat. Wichtig ist zuerst den Sprengdeckel soweit abzudrehen, das kein Höhenspiel mehr vorhanden ist. Der zweite Schritt ist das Einziehen der Lager (oben und unten). Karl hat dies in der richtigen Reihenfolge gemacht. Dies zeigt sein fachliches Grundwissen für solche Arbeiten. Wie man die Schleifpaste nach dem Läppen wieder ordentlich entfernt und das Ventil wieder optimal zum Laufen bringt... dafür gibt es nicht nur Technik sondern auch den ein und anderen persönlichen Handgriff, den die meisten Instrumentenbauer gerne für sich behalten.

Es freut mich, dass Karl gut damit zurecht kam.
Bevor es aber jemand nachmachen will... überlegt wie wertvoll euer Instrument ist und ob es nicht doch besser wäre diese Arbeit (ohne Risiko) vom geschulten Fachmann machen zu lassen, als selber herum zu experimentieren.
LG, Wolfram
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Re: Ventileinziehwerkzeug

Beitrag von GT-Karl »

Hallo Wolfram,

Ich kann dir natürlich nur beipflichten, dieser Job ist nicht ohne Tücken! Wer also nicht genau weiß was er da tut und nicht über die nötigen Werkzeuge verfügt, hat seine Drehventiltrompete schneller ruiniert als ihm lieb ist :oops: !!!

Da wohl nur die wenigsten hier im Forum über einen entsprechenden Zugspannzangensatz und die nötige Vorrichtung verfügen, dürfte sich allerdings die Anzahl von Nachahmern in Grenzen halten :wink: !

Eines ist jedenfalls sicher, diese Arbeit richtig ausgeführt würde bestimmt manche ältere Drehventil zu neuem Leben erwecken und man sollte das bei oft gespielten Instrumenten sicher regelmäßig machen .......lassen :idea: !

Gruß

Karl
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