Wo wird gemessen?

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Moderator: Die Instrumentenbauer

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Singvögelchen
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Wo wird gemessen?

Beitrag von Singvögelchen »

Hallo liebe Freunde der gepflegten Trompetenklänge,

ich bin beim Stöbern in alten Beiträgen immer wieder auf die Physik der Trompeteninstrumente gestoßen und mich interessiert einfach, wo genau die Intonation der Trompete festgelegt ist. Es ist ja am Ende die musizierende Person mit Ansatz; Klangvorstellung usw., das Mundstück und dann noch das Instrument.
Wegen der stehenden Welle (ich glaube langsam, ich weiß, wie das funktioniert), also für Laien wie mich: beim (theoretisch spielbaren 1. Naturton) ein Schwingungsmaximum vorn in der Ansatz/Mundstückgegend, das Schwingungsminimum in der Gegend des Schallbechers...dann Reflexion wieso und woran auch immer und die Welle hat plötzlich eine Länge von etwa 2,70 m.
Soweit so gut, wo genau ist der Reflexionspunkt am äußeren Ende? Am gedachten Kreisumfang außerhalb des Schallbechers? Wolfram hatte da mal eine gute Erklärung zur Funktionsweise der Dämpfer, vielleicht ist es ja hier das gleiche Prinzip.
Und vor allem: wo genau befindet sich der erste Schwingungsknoten, mein Tipp ist ja die sogenannte "Seele" des Mundstücks, es könnte natürlich aber auch die Lippe direkt sein. Gibt es dazu gesicherte Erkenntnisse?
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Wolfram
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von Wolfram »

Hallo Singvögelchen,
Ja - die Schwingung beginnt mit der Seele (engsten Bohrungsstelle) im Mundstück.
LG, Wolfram
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Singvögelchen
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von Singvögelchen »

Vielen Dank, Wolfram.
Das bringt für mich doch einiges Licht ins Dunkel der Materie. Und zwar bei der Bedeutung der Rückbohrung für den Beginn der schwingenden, klingenden Luftsäule. Denke, ich werde in der Praxis noch ein Stück experimentieren und vielleicht eine Optimierung erreichen können.
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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heckelmeyer
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von heckelmeyer »

Ich meine, daß der Beginn der stehenden Welle die vibrierenden Lippen sind. Die schwingende Luftsäule (Ton) kann praktisch auch ohne Mundstück erzeugt werde. Es muß theoretisch dafür noch nicht mal Luft fliesen.
Ich persönlich glaube sogar, daß zum "schönen Ton" des Bläsers sogar Rachen ( Zungenstellung?) und Luftröhre/Lunge (Stütze?) gehören. Natürlich dann auch diverse DurchmesserVeränderungsVerhältnisse (Mensur) und SchallbecherÖffnungsWinkel...
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von heckelmeyer »

Singvögelchen hat geschrieben: Sonntag 7. März 2021, 21:31 wo genau ist der Reflexionspunkt... Am gedachten Kreisumfang außerhalb des Schallbechers?
Ja.
Der wandert aber ins Schallstück rein, je höher der gespielte Naturton wird. Deshalb bekam ja das Schallstück ursprünglich in der Renainssance an der Posaune diese Aufweitung. Je besser nun bei Ventilinstrumenten diese Reflexionspunkte zu unserer Hörgewohnheit passen, um so "sauberer" die Intonation.

Der Reflexionspunkt am Schallbecher ist nichts weiter als der schlagartige Druckausgleich der Luft des Innenrohres mit der Umgebungsluft, weil vom Mundstück aus nichts mehr nachkommt, da die Lippen zu sind. Da reflektiert nichts an der Blechoberfläche oder so... Das Material dort an sich ist egal: Hauptsache (einigermaßen) formstabil. Und wenn doch nicht, beeinflußt es insgesamt den Klang; und der ist subjektiv und somit abhängig vom Zeitgeschmack...
Bei Gelegenheit werde ich doch mal einen Schalltrichter in Beton gießen. Holz gibt's ja schon... :D
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von Singvögelchen »

Vielen Dank, das ist super erklärt, für mein Verständnis genau richtig. Bei deiner Sichtweise zum "schönen Ton" kann ich nur 100% beipflichten. Da spielen die Motivation und die Klangvorstellung eine viel größere Rolle als meistens angenommen. Mund- und Rachenraum sowieso.

Der nach innen wandernde Reflexionspunkt der Welle ist für mich eine komplett neue Information. Wäre aber eine super Erklärung, zB warum manche Schallbecher besonders gut/schlecht in manchen Lagen ansprechen/intonieren.
Warum der Punkt nach innen wandert... ich hab da so eine Vermutung, liegt wahrscheinlich an den kurzen Wellenlängen, die sich im großen Schallstück gar nicht mehr aufbauen können. Gibt es dazu Literatur? Wikipedia ist nicht speziell genug für solche Feinheiten...
Liebe Grüße vom Singvögelchen!


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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von cloogshizer »

Literatur? Gibt es gedruckt & verlegt nicht, das nennt sich "arcan-disziplin" der Geheimniskrämer :lol:

Reflexionspunkt Schallstück:
Deine Vermutung stimmt. Höhere Natutöne brauchen einen kleineren Rohrdurchmesser zur
Umgebungsluft hin, um reflektieren zu können.

Das ist insgesamt ein sehr komplexes Thema... ich grübel auch noch oft darüber...
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von BrigantiumJazz »

Weniger grübeln ... mehr spielen :-)
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cloogshizer
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von cloogshizer »

Ich grübel ja immer beim spielen...

Ist mir mal passiert:
Freiluftbühne im Hochsommer mit 35ºC. Ich mit total angelaufenem (fast dunkelbraunem) Waldhorn, das dadurch mindesten 45ºC heiß wurde. Es waren fff-Töne staccato im Sekundentakt zu blasen: nach jedem Ton kam mir aus dem Mundstück ein heißer Luftstoß an die Oberlippe entgegen...
Anfangs war ich total irritiert, dann aber wurde mir etwas klarer, wie das mit der Luft-Stoßwelle im Rohr sein könnte...
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von Singvögelchen »

Das kenne ich: als hinter unserer Horngruppe mit langen ausgehaltenen Tönen plötzlich und unerwartet die große Trommel einsetze, ertönte unisono eine vierstimmige Horngurke. Filmreif. Und hinterher Diskussion vom Feinsten, Hornisten, Schlagzeuger, Dirigent und Orchestertechniker...die Trommel musste umziehen. :lol:
Druckwelle der Trommel in den Trichter rein bis zur Hornistenlippe. Gepflegter Ansatz unmöglich.
Bei Gegenwind vom Kirchturm zu spielen mit Trompete ist ähnlich unangenehm, schon ausprobiert. Wie wenn du gegen den Wind p.nkelst. Ein Krampf. Und noch nicht mal warm.
:argh:
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heckelmeyer
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Reflexion am Becher

Beitrag von heckelmeyer »

Ich habe noch mal auf der UNSWseite nachgelesen.
Der Wellenknoten am Becher liegt
- für den 1.NT weiter im Schallbecher als
- für höhere NTe, die weiter Richtung Rand liegen...
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Wolfram
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Re: Wo wird gemessen?

Beitrag von Wolfram »

heckelmeyer hat geschrieben: Montag 15. März 2021, 15:44 Ich meine, daß der Beginn der stehenden Welle die vibrierenden Lippen sind. Die schwingende Luftsäule (Ton) kann praktisch auch ohne Mundstück erzeugt werde. Es muß theoretisch dafür noch nicht mal Luft fliesen.
Ich persönlich glaube sogar, daß zum "schönen Ton" des Bläsers sogar Rachen ( Zungenstellung?) und Luftröhre/Lunge (Stütze?) gehören. Natürlich dann auch diverse DurchmesserVeränderungsVerhältnisse (Mensur) und SchallbecherÖffnungsWinkel...
Hallo,
... möchte das noch mal kommentieren...
Der Thread ist überschrieben "Wo wird gemessen". Es geht also nicht darum, wo der Ton entsteht oder die Schwingung beginnt...

In meiner Berufspraxis habe ich viele Jahre mit dem BIAS-Messsystem gearbeitet. Es ist das weltweit am meisten eingesetzte Computer-Vermessungswerkzeug und wird von vielen namhaften Herstellern benutzt! Die Vermessung beginnt im Mundstück. Auch die dazugehörige Optimierungssoftware beginnt mit physikalischen Veränderungen im Mundstück.
LG Wolfram
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