Guten Morgen zusammen!
Wie immer möchte ich schlicht meine Erfahrungen mit euch teilen und hoffe, dass es irgendjemanden auch weiterhilft
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Nachdem ich in den letzten zwei Monaten recht kontinuierlich geübt hatte (ca. 1h täglich zzgl. Proben und Auftritte), brach mein System komischerweise plötzlich zusammen, nachdem ich an Neujahr einen Tag komplett pausiert hatte. Ich versuchte das zu akzeptieren und schaltete einen Gang zurück. Ich kontrollierte noch einmal Schritt für Schritt das Platzieren des Mundstücks nach den oben genannten vier Schritten. Ich meinte feststellen zu können, dass vorher meine Unterlippe nicht ganz den Innenrand des Mundstückrands berührt hatte. Jedenfalls fühlte es sich anschließend ein wenig besser, wenn auch ungewohnt an und der etwas bessere Klang und Artikulation sprachen dafür. Trotzdem beschloss ich, am kommenden Donnerstag Charlie um Rat zu fragen.
Gesagt, getan. Ich erklärte ihm die Situation und er meinte, es könnte durchaus sein, dass mein System ein wenig verwirrt sei und das völlig normal sei, wenn man versucht, neue Gewohnheiten zu erlernen. So gingen auch wir noch einmal einen Schritt zurück und überprüften das Setting mit dem Visualizer. Das Setting und auch die Simulation von bspw. einer Bindung von tief nach hoch durch einfaches Blasen von Luft und Anpassen der Öffnung mithilfe der Ansatzmuskulatur sah absolut in Ordnung aus. Ab dem Zeitpunkt glaubte er nicht mehr, dass ich einfach so an Range verloren hatte. Dann ließ er mich eine einfache Bindung spielen (g1-c2-e2) und wir mussten feststellen, dass das e2 ein wenig zu tief intonierte. Eine zu tiefe Intonation sei meist ein Zeichen dafür, dass irgendwo nicht genug gearbeitet werde. Er stellte auch fest, dass ich rein von der sichtbaren Muskelaktivität es wohl ein wenig übertreibe, sprich ich mehr arbeite als eigentlich notwendig. Sprich, meine Mundwinkel gingen tendenziell ein wenig zu weit nach außen und dies verursachte eine übertriebene Aktivität, denke ich. Eine wichtige Erkenntnis, wie sich gleich zeigen wird.
So fragte er mich, ob ich denn noch an meinem Lippenbuzzing arbeitete. Um ehrlich zu sein, ich tat es nicht wirklich, weil ich den Eindruck hatte, dass es bei mir nicht recht funktionieren will. Ich sagte ihm, dass ich in letzter Zeit nicht allzu viel Lippenbuzzing betrieben habe, weil ich um klingend h1/c2 festzustecken schien. Dabei habe ich es schlicht nicht geübt. Auch hatte ich immer noch die Befürchtung, ich machte irgendetwas falsch. Zugegebenermaßen glaubte ich, ich müsste z.B. ein c3 mit den Lippen buzzen können, um es auch spielen zu können. Jetzt weiß ich: Dem ist definitiv NICHT so. Wenn man einmal logisch darüber nachdenkt, macht es auch Sinn, da, wie auch in einem seiner Videos deutlich wird, die Trompete deutlich weniger Widerstand bietet und so folglich auch weniger Arbeit notwendig ist, um den gleichen Ton auf dem Instrument zu erzeugen. In einem seiner Videos (Three Compressions ab Minute 20 ca.) zeigt er, dass, wenn man einen Ton auf dem Instrument spielt und dann das Mundstück entfernt, eigentlich kein Buzzing zu hören ist. Dies hat er lediglich demonstriert, um klarzumachen, dass immer genug Platz zwischen den Lippen sein muss und sie nicht künstlich zusammenzupressen sind. Spiele ich jedoch ein c2 auf der Trompete und entferne dann Mundstück und Trompete von den Lippen, buzzen die Lippen weiter. Jedoch nicht auf c2, wie ich zuvor angenommen hätte, sondern es erklingt ein e1/es1, also eine (i.d.R.) kleine Sexte tiefer. Diese Erkenntnis fand ich für mich beeindruckend und nützlich zugleich. Im Umkehrschluss heißt das auch, wenn ich ein e1 mit den Lippen buzze und dann das Mundstück mit der Trompete ansetzte, erklingt ein c2. Und genau so ist es auch. Erklingt ein tieferer Ton, so hat man definitiv etwas verändert. Um sicherzustellen, dass man beim Lippenbuzzing und auf der Trompete genau gleich viel arbeitet, kann man zunächst ein e1 mit den Lippen buzzen und dann das Mundstück mit Instrument an die Lippen führen, jedoch so, als würde man mit dem Finger auf die schwingende Lippe fassen. Man buzzt nach der Berührung also ganz normal ein e1 weiter. Das hilt mir, um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass ich wirklich nichts verändere.
Damit hatte ich zunächst Probleme und es erklang nur ein as1 (mit Ventilkombination 23), was mir zeigte, dass irgendwo etwas Arbeit verloren gegangen sein muss. Charlies Vermutung ist, dass die Ringmuskulatur zwar genug arbeitet, aber es im Bereich der Lippenöffnung nicht ganz so funktioniert wie es soll. Quintessenz: Ich muss schlicht mehr so spielen, wie ich (die kl. Sexte abwärts) auch mit den Lippen buzzen würde.
Ich stand dem Thema Lippenbuzzing wirklich zunächst kritisch gegenüber, doch jetzt weiß ich, dass ich theoretisch in der Lage bin, ein a2/b2 "korrekt" auf dem Instrument zu spielen und das motiviert doch sehr. Am Ende der Stunde, konnte ich es, wenn auch leise, wieder spielen. Für einige mag Lippenbuzzing nicht funktionieren und das ist auch absolut in Ordnung, doch für mich hat es sich jetzt als wichtiges Kontrollinstrument erwiesen, das es gilt, weiter auszubauen. Wie soll das geschehen? Charlie schlägt Übungen a la Stamp vor, jedoch unter der Voraussetzung, dass man daraus auch ein Glissando machen kann, um sicherzustellen, dass man nicht einfach stufenartig die Noten produziert, sondern sie alle miteinander verbindet. Im Grenzbereich sei ein leises Einsetzen per Breath Attack sinnvoll und dann arbeite man sich in Halbtonschritten nach oben. Ein Aushalten der Töne im Grenzbereich sollte das Gefühl für den richtigen Bereich, wo die Lippe schwingt, trainieren.
Eines ist noch wichtig zu erwähnen: Gute Intonation und somit ein gutes Gehör sind unabdingbar. Wenn man erst gar nicht wahrnimmt, dass man bspw. zu tief intoniert, hat man keine Chance, nächst höhere Töne effizient zu erzeugen. Man sollte lieber sogar minimal zu hoch intonieren als zu tief, um sicherzustellen, dass das System im ausreichendem Maße arbeitet.
Um dies und gute Ausdauer zu trainieren, schlug Charlie vor, long tones zu üben, damit mein Körper sich unterbewusst hoffentlich merkt, wo der Punkt ist, an dem der jeweilige Ton am besten intoniert. Hier bietet sich an, vom g1 aus immer einen Halbton aufwärts und anschließend abwärts zu spielen. Sprich: Erst g1, dann as1, dann fis1, usw. Rest as long as you play. Dies sollte die Ausdauer schon nach wenigen Tagen verbessern, nachdem sie in den ersten 2-3 Tagen evtl. sich ein wenig zu reduzieren scheine, so Charlie.
Was nehme ich also aus der Stunde mit? - Eine ganze Menge. Ich werde vermehrt Lippenbuzzing üben und mit den beschriebenen Übungen den Grad der Arbeit des Ansatzsystems zu kontrollieren. Schon jetzt merke ich, dass ich spürbar weniger arbeiten muss, um die Töne hervorzubringen und das ist wohl die wichtigste Erkenntnis: Es ist am Ende des Tages immer weniger als man denkt.
Ach ja, was das Platzieren des Mundstücks betrifft, so gab es da eigentlich keine nennenswerten Probleme. Ich muss lediglich darauf achten, dass alles rundherum dicht ist, was durch ausreichend Druck auf die obere und untere Zahnreihe sicherzustellen ist. Dazu ist es auch wichtig, dass die Zahnreihen stets übereinander liegen. Hier neigte ich in der Höhe auch dazu, meinen Unterkiefer ein wenig zurückzuschieben, was dann dazu geführt hat, dass rundherum eben nicht alles dicht war und die Unterlippe sich wieder ein wenig unter die Oberlippe rollen wollte. In den nächsten Tagen werde ich den Stölzel-Übungsadapter auch mal in der Tasche lassen, auch wenn man im Grenzbereich vielleicht ein wenig zu viel drückt. Solange man grundsätzlich und konzeptionell so arbeitet wie in diesem Thread beschrieben, sollte man in der Lage sein, Fortschritte zu machen.
Wie immer gilt: Dies sind bloß meine Erfahrungen und jeder soll das machen, was für ihn funktioniert. Trotzdem möchte ich Charlie beipflichten, wenn er sagt, man sollte diesen Ansatz (kein Wortspiel beabsichtigt) zumindest eine Chance geben, bevor man es über den Haufen wirft und etwas anderes probiert. Denn nach jeder Stunde und nach jeder Kleinigkeit, die ich entdecke und verbessern kann, merke ich, dass das ganze funktioniert.
Mit den besten Grüßen & einen schöne Woche
Jens