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FLÜGELHORN GETZEN ETERNA-896 (4-Vent.)

Verfasst: Dienstag 9. November 2010, 20:25
von trumpieter
1. Wozu »Vierzylinder«?
Das letzte halbe Jahr verschaffte mir Bekanntschaft mit etwa einem Dutzend Flügelhörner (zwischen 150 und 1700 EUR) auf der Suche nach »meinem« Instrument. Ich bin kein Musiker, lediglich Musikliebhaber, neuerdings wieder »Blechinstrument-Liebhaber«: seit einem Jahr als »sehr später Wiedereinsteiger«, nach ca. 30 Jahren Pause. Ich spiele in keiner Band, keinem Orchester. Für meinen Musizierzweck trifft die Bezeichnung »Hausmusik« am besten zu, was spontane solistische Improvisation einschließen kann wie auch kleinere kammermusikalische Versuche.
Von dieser Unabhängigkeit her (in traditioneller Gruppenbesetzung fehlt dafür wohl die Literatur), und wegen der melodiösen Tragfähigkeit des Flügelhornklangs in mittleren und tieferen Lagen, wurde für mich interessant, mittels Quartventil auch die volle erste Oktave chromatisch ausfüllen zu können.
Nach einem mißglückten Versuch mit Blessing–155 hat mich der vergleichende Bericht von TF-Mitglied »Flügel« verlockt, es mit dem Getzen zu wagen.
Das Teil ist nun meins, und ich gebe hier einen Bericht meiner persönlichen Erlebnisse damit.

2. Das Instrument
Das Horn kam fabrikneu, in einem mächtigen soliden Koffer geräumig untergebracht. Beigelegt ist ein Original Getzen-Mundstück, versilbert, mit angenehmem Rand und mitteltiefem Kessel (dazu unten).
Das Mundrohr ist Messing vernickelt, die Bohrung 11,68 mm. Der Schallbecher öffnet sich ordentliche 165 mm. Angenehm sind vier (!) Entwässerungsstellen (vom Amado-Typ, ich hoffe nicht zum Nachteil). Die vernickelten Ventile laufen vom ersten Moment an mit geringem Pflegeaufwand leicht, fest und schnell. Den legendären Ruf von Getzen-Maschinen kann ich bekräftigen. Leider nicht ganz lautlos, die Innenfilze dämpfen den Rückschlag nicht vollkommen. Ich benutze statt beiliegenden Getzen-Öls das Hetman #1, welches sich bestens für neue Pumpen bewährt hat. Gewöhnungsbedürftig ist ein um ca. 2 mm tieferer »Ventilhub«. Verarbeitung und Lackierung erscheinen im Detail makellos.
Die Züge laufen sich spielfrei ein, bei zunächst häufigem Reinigen und Fetten bald immer glatter.

3. Spielweise und Handhabung
Beim Flügelhorn gilt bekanntlich »Etwas ist immer«. Mal hängt die Intonation, mal die Ansprache, mal die Höhen, mal die Tiefen, mal die Ventile, … Etwas ist immer.

Um mit der Handhabung anzufangen: das gewichtige Horn liegt nicht wirklich bequem in der Hand. Wenn ich das vierte Ventil mit dem Zeigefinger der Linken drücken will, hängt das ganze Gewicht auf dem kleinen Finger, der dann unterm Rohr klemmt, was sich wenig langzeittauglich erweist. Den Leuten bei Getzen ist das offenkundig egal, es findet sich keinerlei Angebot zur Handhaltung, weder für linke noch rechte Hand, weder Fingerhaken rechts noch Greiföse links.
Habe mir also eine Fingerringöse besorgt, wie bei Trompeten für den 3. Ventilzug üblich: abgesägt, in die Marschgabelhalterung eingepaßt, was dem 4. Finger eine Stütze gibt. Das Ganze funktioniert sofort brauchbar. Trotzdem bleibt die Last des »Vierzylinders« ein ernstzunehmender Faktor fürs Spielgefühl.

Der Ton kommt mit Denis Wick 2FL warm, rund doch schlank, transparent und voll, steht eher vorn im Rohr, und geht auch schön nach vorne los. Gleich wird deutlich, wie konsequent Getzen auf Klang, Ansprache und Artikulation im unteren Register hingewirkt haben muß. Keines der vorher probierten Hörner artikulierte so präzise, auch unterhalb des 1. Naturtons noch. Dabei bleibt die volle klangliche Resonanz weitgehend erhalten, nur einzelne untere Ventiltöne (Es–D, gegriffen) geraten hörbar leicht dünner. Der Gebrauch des Quartventils gewöhnt sich schneller als gedacht. Ich benutze den linken Zeigefinger, da ich rechts nicht über Rubinsteins »langen kleinen« Finger verfüge.
Von ganz unten bis zur ‘‘–Oktave erstaunt die durchweg saubere Intonation. Oberhalb c‘‘ gestehe ich Schwierigkeiten. Da braucht das Horn sehr viel Luft, sonst tönt gleich ein zu tiefes d‘‘ usw. Das mag teils noch mangelnder Technik geschuldet sein, teils vielleicht auch einer erfolgreich aufs untere Register optimierten Klangführung von Mensur, Bohrung, Schallstück usw.

4. Mundstück
Seltsamerweise zeigte sich im Vergleich zwischen DW 2FL und 2F bei letzterem eine etwas günstigere Intonation des kritischen d‘‘ (vielleicht wegen der geringeren Stufungen durch tieferes Eintauchen ins Mundrohr? Siehe auch http://www.trompetenforum.de/TF/viewtop ... 9&start=30). Andere probierte Mundstücke verschieben den Klang für mein Gefühl sehr ins trompetische, er wird hell, auch schneidend … gefällt mir nicht.
Probiert wurden neben den oben erwähnten Beiden noch DW 4FL, Bach 1 1/4 CFL, Getzen 3C.

5. Plus / Minus
+ durchweg Solidität und saubere Verarbeitung
+ Ventile für die Ewigkeit (immer zu begrüßen: »hineinlaufende« Deckelgewinde oben!)
+ tragender Flh.-Klang, ausdrucksvoll bis in die Tiefe
+ außerordentlich flüssige Ansprache in allen Intervallen
+ wer es mag: nützliche Griff-Varianten (4. alternativ 1.+3.)
+ unverwüstlicher Koffer mit sorgsamer Polsterung
+ ein Horn, das fordert, aber auch gefordert werden will!

– schwierige Handhaltung links, kein Fingerhaken rechts
– hoher Luftbedarf ab d‘‘, sonst abfallende Intonation
– der tiefe Des-Griff mit allen Ventilen ergibt bei mir nur D (klingend C)
– nichts fürs leichte Reisegepäck
– wenig zusätzlicher Stauraum im Koffer (nur Notenständer, kein Dämpfer!)
ein Horn, das fordert, aber auch gefordert werden muß … !

Re: FLÜGELHORN GETZEN ETERNA-896 (4-Vent.)

Verfasst: Mittwoch 10. November 2010, 08:29
von TrpFlgh
Ein schöner Bericht,
vielen danke dafür und weiterhin viel Spaß beim musizieren!

Re: FLÜGELHORN GETZEN ETERNA-896 (4-Vent.)

Verfasst: Freitag 12. November 2010, 17:32
von Flügel
Es freut mich, wenn ich an deinem Glück Teilschuld habe :-)
Ich werde von Tag zu tag mehr ein 4-Ventiler Fan und bin mit meinem handmade-Flgh. von Meister Meinhold (Österreich) total zufrieden. Das 4. ventil ist da ein Drehventil mit größerer Bohrung (Ansprache) und man kann es sehr gut auch nur mit einer Hand halten.
Vielleicht schreib ich ja noch einen Bericht dazu. mal sehen ...
Viel Spaß mit dem Instrument!

Re: FLÜGELHORN GETZEN ETERNA-896 (4-Vent.)

Verfasst: Donnerstag 18. November 2010, 21:08
von trumpieter
Flügel hat geschrieben:… an deinem Glück Teilschuld …
zunächst einmal hast Du mit Deinem bericht auch einen maßstab gesetzt, wie erfahrungen mit instrumenten hier besprochen werden können! ich habe immer wieder zu details darin nachgelesen, und das ist mir sehr hilfreich gewesen.

vielleicht sollten wir mal eine eigene themen-ecke zum »vierzylinder« (bin übrigens keinerlei kraftfahrzeugist!) aufmachen. da könnte es eine menge interessantes auszutauschen geben: literatur-empfehlungen, einsatzmöglichkeiten, bezugsquellen, spielerfahrungen, instrumente usw.

P.S. und nun habe ich zum DENIS WICK 2F und 4FL mundstück auch noch das mittlere 3F ausprobiert: bei allen qualitäten der beiden »engeren« … die luft, farbe, fülle und reife des 2F lassen sie doch auf der strecke bleiben. sie atmen sich erwas leichter, aber das muß fürs 2F eben geübt werden.