schönes Arpeggio-Pattern

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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Tobias
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schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Tobias »

Hallo,

hier ein sehr schoenes Arpeggio ueber Dur-Akkorde, funktioniert sowohl ueber Major als auch ueber Dominant 7, da die Septime ausgespart ist.

Der Apparat klingt an sich schon schoen und kann auch wirklich so eingesetzt werden.

Die Struktur ist die folgende:
Die Akkordtoene werden von unten chromatisch und von oben diatonisch (d.h. mit tonleitereigenen Toenen) angespielt. Starten kann man von der 5, der 3 oder der 1 aus.

Ich habe es mal fuer C notiert, sollte man aber selbstverstaendlich durch alle 12 ueben.

Bild

pdf: http://www.moonalley.net/tobi/TP/arps1.pdf

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Bixel »

Jou, hübsch!

Vielleicht noch hübscher - weil spannungsreicher - ist es, die Approachnotes (statt der Chordtones) auf den Downbeat zu spielen, also die von dir vorgeschlagenen Patterns um ein Achtel nach hinten zu verschieben.

:huepf:
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Tobias
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Tobias »

@Bixel
Stimmt, klingt auch gut!

Wie waere es, wenn wir hier einige unserer Lieblingspatterns und -licks praesentieren? Quasi als Lick-Boerse?

Ich fange mal an:

Bild

pdf: http://www.moonalley.net/tobi/TP/licks1.pdf

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Bixel »

Uuuuuuff... da habe ich Bauchschmerzen.

Material in dieser Richtung gibt es bereits im Überfluss: Bergonzi, Jerry Coker und wie sie alle heißen.
Die Brüder haben kombinatorisch dermaßen gründlich gearbeitet, dass niemand mehr jemals ein neues Pattern wird erfinden können.
Solches Material zu üben finde ich okay, solange es der Eingewöhnung in Tonarten dient und es dem Übenden Spaß macht - aber nicht länger.

Romantisch-naive Alternative: mit seinen Lieblingsscheiben "ins Bett gehen", die Ohren aufsperren, mitsingen, mitspielen.
Oder - wie Clark Terry sagt: "Imitate, assimilate, innovate."
Idealer Einstieg: Chet Baker.

Ich versuche immer, meine Improvisation "Lick-frei" zu halten.
Alles Andere klingt irgendwie ungut nach erledigten Hausaufgaben - wenig persönlich und noch weniger (im engeren Sinne) kreativ.

Motivisches Spielen ist etwas sehr Schönes, aber Patterns höre ich nicht gern und vermeide sie daher bei der eigenen Improvisation weitgehend.

Nix für ungut.

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Tobias »

Bixel hat geschrieben:Material in dieser Richtung gibt es bereits im Überfluss: Bergonzi, Jerry Coker und wie sie alle heißen.
Die Brüder haben kombinatorisch dermaßen gründlich gearbeitet, dass niemand mehr jemals ein neues Pattern wird erfinden können.
Solches Material zu üben finde ich okay, solange es der Eingewöhnung in Tonarten dient und es dem Übenden Spaß macht - aber nicht länger.
Ich kenne dieses Material. Aber vieles davon gefaellt mir nicht. Cockers Patterns for Jazz beispielsweise enthaelt kaum Material, was mir gefaellt.
Es geht auch nicht darum, neue Patterns oder Licks erfinden zu wollen.

Ich uebe solche Sachen und bei einem Solo denke ich dann nicht, "so, hier koennte doch Lick Nr 15a passen". Ich uebe Vokabular, damit ich die Sprache, die ich sprechen will, lerne. Ich trainiere Reflexe auf Klaenge.
Bixel hat geschrieben:Ich versuche immer, meine Improvisation "Lick-frei" zu halten.
Das ist ein ehrenvoller Vorsatz.

Lade mal Deine Version ueber Confirmation oder Joy Spring hoch, dann bin ich mal gespannt, ob Deine gewollt "licklosen" Linien denn nach Bebop klingen.

Aber nix fuer ungut!

Vielleicht bist Du in Deiner improvisatorischen Entwicklung einfach schon viel weiter als ich und spielst einfach so nur schoene Linien.

Ich uebe bewusst auch Licks und Patterns und versuche dann mein Solo nicht zu denken und manchmal kommt schoene Musik dabei raus.
Bixel hat geschrieben:Romantisch-naive Alternative: mit seinen Lieblingsscheiben "ins Bett gehen", die Ohren aufsperren, mitsingen, mitspielen.
Oder - wie Clark Terry sagt: "Imitate, assimilate, innovate."
Idealer Einstieg: Chet Baker.
Das beherzige ich schon eine lange Zeit und hoere und trankribiere sehr viel.

Beschreibe doch mal Deinen Weg, ein besserer Improvisator zu werden. Was und wie uebst Du denn?

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Bixel »

Ich trainiere Reflexe auf Klaenge.
Das gefällt mir gut und unterschreibe ich jederzeit.

Die Trainingsmethoden unterscheiden sich jedoch.

Erwachsenen fällt es gemeinhin schwer, ihre intellektuellen Ressourcen absichtlich ungenutzt zu lassen.
Sie erlernen daher die Sprache "Jazz" in der Regel auf eine Weise, wie eine Fremdsprache erlernt wird: Vokabeln, Syntax, Grammatik, das ganze Programm. Reflektierend.

Wenn man aber früh genug damit beginnt, lässt sich die Sprache "Jazz" auch auf diejenige Weise erlernen, in der jeder Mensch seine Muttersprache erlernt hat: durch Lauschen auf die Laute der frühen Umgebung, durch intuitives Nachahmen und durch die Erfahrung von Ursache und Wirkung - anfänglich mit dem Ergebnis sinnfreien Gelalles, dann zunehmend sinnhafter und irgendwann klar verständlich. Ein - zumindest bis zum Schulalter - weitgehend unreflektierter Prozess.

Auf letztere Weise habe ich mich der Sprache "Jazz" genähert.
Mir persönlich kam dabei "zugute", dass ich erstens ein unverbesserliches Kind und zweitens bei weitem zu faul war/bin, die Herren Coker und Bergonzi u.a. zu studieren. Daher sind "meine Linien" auch nicht "gewollt "licklos"", sondern mangels Auseinandersetzung mit "Patterns in Jazz" u.a. stehen mir kaum Licks zur Verfügung.
Dieses Schicksal teile ich mit gar nicht so wenigen Musikern. Um einige Klischees zu bemühen: die Gypsy-Jazz-Scene verzichtet weitgehend auf einen intellektuell-analytischen Zugang - viele geniale Musikanten!
Die sechs Lehrer und Rechtsanwälte, die jeden Dienstag in Jeans und Lederweste im Keller ihren Dixieland zelebrieren, haben häufig von Tuten und Blasen keine Ahnung - sie machen es einfach. Und sind nicht selten näher an der (Jazz-)Wahrheit als mancher Jazzstudent im sechsten Semester.

Oder?

:(
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Tobias »

Hallo Bixel,

schoener Beitrag!
Bixel hat geschrieben:Die Trainingsmethoden unterscheiden sich jedoch.
Genau die wuerden mich interessieren. Oder ist es "nur" bis zum Abwinken gute Jazzmusik anhoeren?
Bixel hat geschrieben:Wenn man aber früh genug damit beginnt, lässt sich die Sprache "Jazz" auch auf diejenige Weise erlernen, in der jeder Mensch seine Muttersprache erlernt hat: durch Lauschen auf die Laute der frühen Umgebung, durch intuitives Nachahmen und durch die Erfahrung von Ursache und Wirkung - anfänglich mit dem Ergebnis sinnfreien Gelalles, dann zunehmend sinnhafter und irgendwann klar verständlich. Ein - zumindest bis zum Schulalter - weitgehend unreflektierter Prozess.
Das funktioniert aber bei Kindern nur, weil sie der Sprache der anderen ununterbrochen 24h am Tag ausgesetzt sind. Die wenigsten sind aber Jazzmusik auch nur annaehernd so lange ausgesetzt.
Das heisst fuer mich, dieses intuitive Lernen braucht, sagen wir mal, um erste Erfolge zu zeigen (im Vergleich mit dem Kind beispielsweise einfache Gegenstaende benennen koennen), 1000h Input. Das ist dann auf das Jazzlernen bezogen schon recht viel, 500 Tage bei taeglich 2h Input.
Bixel hat geschrieben:Die sechs Lehrer und Rechtsanwälte, die jeden Dienstag in Jeans und Lederweste im Keller ihren Dixieland zelebrieren, haben häufig von Tuten und Blasen keine Ahnung - sie machen es einfach.
Da kann man dagegenhalten, dass diese Dixielandbands in den allerseltensten Faellen aus meiner Sicht auf einem ertraeglichen Niveau spielen. Es gibt natuerlich auch Ausnahmen, klar.
Und es liegt an den relativ einfachen Strukturen dieser Stilrichtung des Jazz, sowohl aus rhythmischer als auch aus harmonischer Sicht. Klar, dieser Stil stand ja auch in der historischen Entwicklung des Jazz ziemlich am Anfang und der Jazz hat sich ja auch weiterentwickelt.
Bixel hat geschrieben: Und sind nicht selten näher an der (Jazz-)Wahrheit als mancher Jazzstudent im sechsten Semester.
Was ist die Jazzwahrheit?
Sie spielen intuitiver, ok. Sie wuerden aber wahrscheinlich an einer Wayne Shorter Nummer klaeglich scheitern. Klar, weil das nicht "ihr" Jazz ist.
Ich vermute, dass Du damit sagen willst, dass viele studierte Jazzer gleich oder aehnlich und damit langweilig klingen. Das stimmt ja auch. Das liegt aber meiner Meinung nach nicht daran, dass sie auch Licks oder Patterns geuebt haben. Das haben die ueberwiegende Mehrheit der ganz Großen des modernen Jazz auch getan. Dann letztendlich großartige Musik zu machen, dazu gehoert noch mehr, als was auch immer geuebt zu haben. Und das ist der Punkt.
Bixel hat geschrieben:Mir persönlich kam dabei "zugute", dass ich erstens ein unverbesserliches Kind und zweitens bei weitem zu faul war/bin, die Herren Coker und Bergonzi u.a. zu studieren. Daher sind "meine Linien" auch nicht "gewollt "licklos"", sondern mangels Auseinandersetzung mit "Patterns in Jazz" u.a. stehen mir kaum Licks zur Verfügung.
Dieses Schicksal teile ich mit gar nicht so wenigen Musikern. Um einige Klischees zu bemühen: die Gypsy-Jazz-Scene verzichtet weitgehend auf einen intellektuell-analytischen Zugang - viele geniale Musikanten!
Ich bin mir relativ sicher, dass Du garnicht "licklos" spielst.
Auch wenn Du Dich der Sache intuitiv genaehert hast, hast Du ja schon abertausende Licks gehoert. Und diese hast Du dann halt ohne sie zu ueben, irgendwo in Dein Vokabular uebernommen.

Ich denke, fuer Dich sind die Begriffe Pattern und Lick negativ besetzt, weil Du damit auswendig gelernte, bewusst an manchen passenden Stellen eingesetzte Puzzleteile betrachtest.
Sieh sie doch als Vokabeln einer Sprache. Unabhaengig, wie man sich die Sprache angeeignet hat. Als motivische Zellen, die dafuer sorgen, dass Dich jemand versteht, weil Du halt den Dialekt der Sprache Jazz sprichst, in dem Du Dich gerade bewegst.

Mein Fazit:
Egal, wie man sich der Sache naehert, wenn man die Sache gut macht, benutzt man wie in einer Sprache Vokabeln (Licks und Patterns), Grammatik (Harmonielehre) um Geschichten zu erzaehlen.

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von buddy »

Tobias hat geschrieben:...Das heisst fuer mich, dieses intuitive Lernen braucht, sagen wir mal, um erste Erfolge zu zeigen (im Vergleich mit dem Kind beispielsweise einfache Gegenstaende benennen koennen), 1000h Input. Das ist dann auf das Jazzlernen bezogen schon recht viel, 500 Tage bei taeglich 2h Input.
Noch ein Element wäre günstig, nämlich der möglichst kurze und stark überwiegend positive Feedback-Bogen: Baby brabbelt, Mama sagt "Mama", Baby sagt irgendwann auch "Mama", Mama strahlt das Baby an, Baby zeigt Lächeln zurück, Erfahrung gemacht. Mit Wiederholungen wird das Gelernte gefestigt, besonders wenn das Verstärkungsmuster mit der Zeit zur variablen Quote tendiert (=nicht immer & sofort Lächel-Reaktion auf das Wort "Mama").
Vergleichbares wäre Jazz-Unterricht mit pädagogisch geschicktem Lehrer, nicht in gleicher Weise "nur" autodiaktisches Hören und Imitation.
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Steffen »

Endlich mal wieder was los in der Jazzecke!

Patterns und Licks sind für mich auch etwas, was ich nie intensiv studiert habe. Genau so wenig mag ich mich mit Playalongs oder Transkriptionen beschäftigen. Zum einen vielleicht ebenfalls aus Faulheit, zum anderen aber, weil ich schon immer den Anspruch hatte, möglichst spontan und frei zu improvisieren. Natürlich stößt man dabei an seine Grenzen. Vor mancher Nummer, die ich noch vor Jahren bedenkenlos auf einer Session gespielt hätte, schrecke ich heute zurück. Seit mein Anspruch (und der meiner Kollegen) etwas professioneller geworden ist, bin ich unzufrieden damit, mich einfach nur durchzumogeln, obwohl das oft recht gut funktioniert hat. Ich habe es mittlerweile lieber, wenn ich mich auf kompliziertere Stücke vorbereiten kann. Dabei geht es mir nicht darum, mir ein paar Licks und Wendungen "zurechtzulegen", sondern eher darum, den Song und seine Möglichkeiten besser kennen zu lernen. Überhaupt hatte ich noch nie einen Mangel an Ideen verspürt, mir ist bisher immer was eingefallen. In einer guten Band und bei einem guten Stück bekommt man die Ideen ja auch irgendwie geliefert, man muss einfach nur zuhören. Außerdem sind mir die rhythmischen und melodischen Variationsmöglichkeiten wesentlich wichtiger als die harmonischen.

Mein größter Kritikpunkt bei vielen akademisch ausgebildeten Jazzmusikern: Die Stücke werden auf ihre Changes reduziert, die Akkorde werden heruntergespult, genagelt oder genudelt oder wie immer man es ausdrücken will. Unter sportlichen Aspekten sind diese virtuosen Höchstleistungen oft sehr respektabel, aber musikalisch, d.h. vom eigentlichen Thema, bleibt dabei nicht so viel übrig. Vor allem viel zu wenig Platz. Alles wird viel zu dicht, es werden viel zu viele Noten gespielt (lauter Achtelketten!) und keiner hat den Mut, die unwichtigen Töne einfach mal wegzulassen, eine Pause zu machen oder in Ruhe ein interessantes Motiv zu entwickeln. Man kann natürlich jetzt einwenden, dass der Stil und die Spielweise im "modernen" Jazz eben so ist, aber ganz so oberflächlich ist es eben doch nicht, zum Glück!

Viele Grüße,

Steffen
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Bixel »

Ich bin mir relativ sicher, dass Du garnicht "licklos" spielst.
Auch wenn Du Dich der Sache intuitiv genaehert hast, hast Du ja schon abertausende Licks gehoert. Und diese hast Du dann halt ohne sie zu ueben, irgendwo in Dein Vokabular uebernommen.
Du hast völlig recht. Wenn du ein Solo von mir transkribiertest, käme dir sicher vieles bekannt vor.
Entscheidend für mich ist, dass ich im Augenblick des Spielens möglichst keine "Worthülsen" (= Licks) verwende, um eine harmonische Hürde zu überwinden.

Wenn dir ein organischer und kreativer Umgang mit dem antrainierten Material gelingt, finde ich das großartig.
Ohnehin wollte und will ich deine Musizierhaltung nicht bewerten.
Ich wollte lediglich auf eine denkbare andere Musizierhaltung aufmerksam machen.
Diese ist offenbar angesichts des Überangebotes an Übeangeboten ein wenig altmodisch geworden, führt aber hier und da zu vorzeigbaren Ergebnissen.

Früher war ja nicht alles schlecht, ne?

Zum Beispiel die Autobahnen... :ironie:

Ich denke, fuer Dich sind die Begriffe Pattern und Lick negativ besetzt, weil Du damit auswendig gelernte, bewusst an manchen passenden Stellen eingesetzte Puzzleteile betrachtest.
Siehe oben.

Mein Fazit:
Egal, wie man sich der Sache naehert, wenn man die Sache gut macht, benutzt man wie in einer Sprache Vokabeln (Licks und Patterns), Grammatik (Harmonielehre) um Geschichten zu erzaehlen.
Du hast recht. Allerdings ist dies eher der Blickwinkel des Analytikers als jener des schöpferischen Musikanten.
Es gibt Momente, in denen man Musik beschreiben kann; und es gibt Momente, in denen man Musik macht.

:roll:
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Tobias »

Steffen hat geschrieben:Patterns und Licks sind für mich auch etwas, was ich nie intensiv studiert habe. Genau so wenig mag ich mich mit Playalongs oder Transkriptionen beschäftigen. Zum einen vielleicht ebenfalls aus Faulheit, zum anderen aber, weil ich schon immer den Anspruch hatte, möglichst spontan und frei zu improvisieren.
Die Frage waere jetzt fuer mich: Bist Du trotz oder auf Grund der fehlenden Beschaeftigung mit obigem zu dem Spieler geworden, der Du jetzt bist. Oder waerst Du mit der Beschaeftigung mit dem obigen ein noch viel besserer Spieler?
Steffen hat geschrieben:Mein größter Kritikpunkt bei vielen akademisch ausgebildeten Jazzmusikern: Die Stücke werden auf ihre Changes reduziert, die Akkorde werden heruntergespult, genagelt oder genudelt oder wie immer man es ausdrücken will. Unter sportlichen Aspekten sind diese virtuosen Höchstleistungen oft sehr respektabel, aber musikalisch, d.h. vom eigentlichen Thema, bleibt dabei nicht so viel übrig. Vor allem viel zu wenig Platz. Alles wird viel zu dicht, es werden viel zu viele Noten gespielt (lauter Achtelketten!) und keiner hat den Mut, die unwichtigen Töne einfach mal wegzulassen, eine Pause zu machen oder in Ruhe ein interessantes Motiv zu entwickeln. Man kann natürlich jetzt einwenden, dass der Stil und die Spielweise im "modernen" Jazz eben so ist, aber ganz so oberflächlich ist es eben doch nicht, zum Glück!
Hier vermischst Du fuer mein Gefuehl verschiedene Aspekte:

- Du hast hier ja schoen oefter beklagt, dass bei Improvisationen fuer Deinen Geschmack zu oft das Thema ausser Acht gelassen wird und nur ueber die changes gespielt wird.
Beim Thema einer Nummer kann ich das noch nachvollziehen. Wenn man den Text zu Rate ziehst, erzaehlt jede Nummer eine Geschichte, ok.
Aber so eine Geschichte kann unterschiedliche Personen in unterschiedliche Richtungen fuehren.
Den einen bringt das Thema einer melancholichen Nummer dazu, einen ebenfalls melancholichen Chorus zu spielen, den anderen aber vielleicht dazu, einen energetischen, vielleicht froehlichen Chorus, vielleicht als Weg aus der Melancholie zu neuer Hoffnung.

Die Frage fuer mich ist hier auch: Inwiefern sollte man am Thema bleiben?
Melodisch? Dann ist man aber sehr stark eingeschraenkt.
Wie oben ausgefuehrt auf die Grundstimmung der Nummer bezogen?

- Die Faehigkeit, musikalisch zu spielen, auch Platz zu lassen, nicht nur Achtelketten zu spielen, hat meiner Meinung nach nichts mit der Faehigkeit zu tun, Licks oder Patterns zu kennen oder Achtellinien in jedem Thema spielen zu koennen. Sondern mit Geschmack.

Und es haengt selbstverstaendlich mit der Stilistik zusammen, in der ich mich bewege. Spiele ich eine Bebopnummer im Tempo 240, hoert es sich halt nicht nach Bebop an, wenn ich nur ganze Noten spiele. Das mag ich dann sehr geschmackvoll und musikalisch tun, aber es klingt halt nicht nach Bebop.

Zusammenfassend denke ich:

Was man uebt und dann technisch kann, sollte einen nicht daran hindern, das auszudrueckem, was man sagen will. Es hilft eher.
Angenommen, ich habe eine Idee, die ich aber technisch nicht umsetzen kann, dann kann ich sie nicht ausdruecken. Das ist dann Pech. Vielleicht war die Idde wunderschoen.

Also: Moeglichst viel ueben und lernen und dann beim Solo loslassen und das sagen, was man sagen will. Und nicht Licks aneinaderreihen.

Gruß

Tobias

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Steffen »

Transkriptionen, Playalongs und Lick-Sammlungen sind für mich irgendwie totes Material. Ich habe keine große Lust mich damit zu befassen. Es kann schon sein, dass es mich weiter bringen würde, aber ebenso kann ich die Zeit verwenden, um mich ganz allgemein an der Trompete zu verbessern. Meine bisherige Erfahrung war die, dass ich mich beim Improvisieren immer dann stark verbessert habe, wenn sich meine technischen Möglichkeiten an der Trompete erweitert haben. Da gibt es für mich immer noch sehr viel zu tun und das bringt mich meiner Meinung nach am ehesten weiter.

Zum Themenbezug: Natürlich entfernt man sich bei der Improvisation vom Thema und kehrt dann ggf. wieder zurück. Aber die Melodie bzw. das Thema läuft doch irgendwie mit, auch wenn die gespielte Linie nicht mehr viel damit zu tun hat. Form und Thema bilden ja eine Einheit. Ich sehe halt die Gefahr, dass man sich über bestimmte Akkordverbindungen ganz bestimmte Licks zurechtlegt und die dann nach Baukastenprinzip zusammenstellt, und zwar unabhängig davon, welchen Song man gerade spielt und in welcher musikalischen Situation man sich gerade befindet. Übetechniken, die sich von Songs völlig wegbewegen, z.B. Blues in allen Tonarten oder 2-5-1 in allen Tonarten finde ich nicht gut. Es greift ein wenig kurz wenn ich mich einfach nur frage: "Was spiele ich über diese oder jene Akkordverbindung?"

Natürlich hast Du Recht, dass ein gutes Solo geschmackvoll und stilistisch überzeugend sein sollte. Aber dazu gehört immer auch etwas kreatives, damit es nicht zu diesem sinnlosen Gedudel kommt, dass viele Menschen nicht ganz zu unrecht mit Jazz assoziieren. Es gibt auch noch so viele andere Faktoren, die über die schlichte Harmonielehre und Skalentheorie hinausgehen. Klangliche Aspekte hast Du ja auch schon erwähnt, das wird immer wieder vernachlässigt. Rhythmus ist für mich etwas ganz zentrales, da wiederhole ich mich auch schon wieder. Mein Lieblingsmusiker im Bebop ist übrigens Thelonious Monk, dessen Einfallsreichtum ist nur schwer zu übertreffen. Der hat noch jede Harmonielehre über den Haufen geschmissen und der ist wohl auch am weitesten davon entfernt, einfach nur Achtel zu spielen. Charlie Parker hat auch bei einem Tempo von 240 noch wahnsinnig variantenreich gespielt und war sehr souverän, was Phrasierung und Timing angeht. Analysiert man die Themen, die Parker, Monk oder andere über Standards gefunden haben oder auch die Solos, so kann man doch immer wieder Bezüge zur ursprünglichen Song-Idee herstellen.

Viele Grüße,

Steffen
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Tobias »

Hallo,

endlich mal wieder eine schoene Diskussion hier in der Jazzecke!

Hier: http://www.trumpetherald.com/forum/view ... hp?t=84133 wird das gleiche Thema auch diskuiert. Interessant zu lesen, wie aehnlich die Sichtweisen sind.

Gruß

Tobias

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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von Bixel »

Letzten Endes hat niemand wirklich eine echte Wahl, wie sie/er sich der Sprache "Jazz" nähern will und wird.

Die Menschen sind verschieden.

Wer den intuitiven Zugang findet, wird ihn - schon aus Gründen der Bequemlichkeit - sich zu eigen machen.
Wer ein eher kognitiver Typ ist, wird reflektieren wollen - und auch kaum anders können.

So wenig es den einen richtigen Embouchure gibt, so wenig gibt es den einen richtigen Weg zum Idiom (improvisierender) Jazz.

Freude am Tun haben beide Typen und damit Grund, dem gewählten Weg treu zu bleiben.
Bekehren wollen sollte niemand niemanden.
Aber Erfahrungen austauschen kann man.

Insoweit: jawoll, schöne Diskussion!

:gut:
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Re: schönes Arpeggio-Pattern

Beitrag von hannes »

buddy hat geschrieben:
Tobias hat geschrieben:...Das heisst fuer mich, dieses intuitive Lernen braucht, sagen wir mal, um erste Erfolge zu zeigen (im Vergleich mit dem Kind beispielsweise einfache Gegenstaende benennen koennen), 1000h Input. Das ist dann auf das Jazzlernen bezogen schon recht viel, 500 Tage bei taeglich 2h Input.
Noch ein Element wäre günstig, nämlich der möglichst kurze und stark überwiegend positive Feedback-Bogen: Baby brabbelt, Mama sagt "Mama", Baby sagt irgendwann auch "Mama", Mama strahlt das Baby an, Baby zeigt Lächeln zurück, Erfahrung gemacht. Mit Wiederholungen wird das Gelernte gefestigt, besonders wenn das Verstärkungsmuster mit der Zeit zur variablen Quote tendiert (=nicht immer & sofort Lächel-Reaktion auf das Wort "Mama").
Vergleichbares wäre Jazz-Unterricht mit pädagogisch geschicktem Lehrer, nicht in gleicher Weise "nur" autodiaktisches Hören und Imitation.
Muss euch leider enttäuschen! Der Vergleich des Jazz lernens mit dem Sprache erlernen von Kleinkindern funktioniert bei Erwachsenen leider nicht mehr so intuitiv. Das Gehirn mit seiner weniger ausgeprägten Komplexität von Kleinkindern filtert viel besser als das Erwachsener und ermöglicht deshalb bis zum 5. Lebensjahr das intuitive akzentfreie Sprachen lernen (sensible Phase). Das Gehirn ist quasie selbst der Lehrer, der den Lernstoff angemessen und sukzessive steigert. Nach dem 5. Lebensjahr wird es immer schwerer! Der Lernstoff muss durch Lehrer angemssen dosiert werden, da die natürliche Auslese des Gehirns nicht mehr so gut funktioniert. Daher haben es Migranteneltern oft so schwer (vorausgesetzt sie machen sich die Mühe des Lernens), denn sie müssen selbst dafür sorgen wie viele Informationen in welcher Komplexität das Sprache erlernen zulässt.
Auf den Jazz übertragen: Man kommt gar nicht daran vorbei, wie Tobias die Sprache des Jazz zu lernen. Außer man hatte vom Babyalter an das Glück, dieser Musik ausgesetzt zu sein und - was noch viel wichtiger ist! - diese Musik zu praktizieren (sei es mit der Stimme oder mit Instrumenten, wobei es wieder physikalische Grenzen gibt). Selbstverständlich kann man auf das Erlernen der Jazzgrammatik verzichten und dabei auch Erfolge haben. Aber man wird sich dann immer auf einem Blabberniveau bewegen können. Das kann natürlich auch angenehm klingen, aber es wird schnell an Grenzen führen. Das Wayn-Shorter-Beispiel ist dabei sehr gut.
Wer behauptet, er könne nur mithilfe des Gehörs und mithilfe seiner Intuition auch als Erwachsener den Jazz erlernen, negiert Erkenntnisse der Gehirnforschung, verzichtet auf ein großes Repertoire der Sprache des Jazz und formuliert als Resultat das eingeschränkten Lernens weitgehend einfache Jazzstrukturen. Ein kompliziertere Grammatik müssen sich Jazzmusiker erarbeiten wie eine Sprache, die man erst spät erlernt. Ich kenne keine erfolgreichen Musiker, die dies nicht getan haben (und sei es ohne Noten in der ständigen Auseinandersetzung mit anderen Musikern durch Nachahmung, was ungemein aufwendiger und langwieriger ist). Daher ist Tobias auf dem richtigen Weg, ein erfolgreicher und interessant klingender Jazzmusiker zu werden (wie man bereits oft zu hören bekam!).

Hannes
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