Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

Moderator: Die Moderatoren

Antworten
supertobi
Unverzichtbar
Beiträge: 674
Registriert: Mittwoch 13. April 2005, 09:43

Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von supertobi »

Hallo zusammen,

beim Üben war mir gerade folgende Phrase in den Fingern, wobei ich mir nicht sicher bin, ob im zweiten Takt der unterste Ton ein D oder ein D# sein sollte (erste Zeile vs. zweite Zeile):

Bild

Ich finde diese Phrase in sich sehr schlüssig/gefällig und würde gerne verstehen, was da harmonisch hintersteckt. Meine erste Vermutung war, dass das eigentlich relativ simpel sein müsste, eben weil es ja eigentlich eine ganz einfache Linie ist. Aber ich komm nicht wirklich dahinter.... ich bin auch nicht wirklich sattelfest, was die Harmonielehre angeht.

Der erste Takt ist offensichtlich Em7 und ich gehe stark davon aus, dass er in der Funktion als IIm7 auftaucht. Folglich müsste das A im letzten Takt die Quinte zu Dmaj7 bzw. Imaj7 sein. Soweit so gut. Jetzt habe ich aber folgende Fragen:

1. Der zweite Takt sieht nach Dmaj7 aus, das wäre also Imaj7. Aber gibt es sowas wie eine II-I-V-I Verbindung? Oder ist doch die untere Zeile schlüssiger? Dann hätte ich D#m7-5, aber wie passt das in das Schema?

2. Die "Melodie" im dritten Takt ist ja ein gebrochener C#m7-5. Aber in Wirklichkeit ist das wohl als A7 = V7 zu verstehen. Gibt es eine Verwandschaft der beiden Akkorde bzw. hat die Vorgehensweise, hier nicht den V7 als solchen, sondern eben C#m7-b zu spielen, einen Namen?

Wenn mich jemand mit mehr Sachverstand erhellen könnte, wäre ich super dankbar!

Gruß
Tobi

HvL Oiram
Yamaha 6310Z
B&S Challenger 3137/2
flg: B&S Challenger 3148/2 Elaboration
buddy
Unverzichtbar
Beiträge: 6944
Registriert: Samstag 7. April 2007, 16:50
Meine Instrumente ..: Yamaha, Kanstul, Bach

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von buddy »

Soweit ich sehe, wird eine Akkordbrechung gerückt. Bei D im zweiten Takt wäre das naheliegendste Akkordsymbol Dmaj7.
Mit D# im Bass des zweiten Takten könnte man B9 (ohne Grundton in der Melodie) interpetieren, was als Akkord etwas mehr Spannung einbringt als der Tonikaakkord.
B9 (= dt.H): B Grundton, D# Terz, F# Quinte, A Dominantseptim, C# None. Im dritten Takt steht meines Erachtens A9, nur (ebenfalls) ohne Grundton.
Die melodische Linie wird besonders durch die diatonisch fallenden Viertelnoten auf der Eins gebildet: D - C# - B - A
supertobi hat geschrieben:Aber gibt es sowas wie eine II-I-V-I Verbindung?

Wenn eine Akkordverbindung für dich gut klingt, ist sie auch möglich. :D
supertobi hat geschrieben:...hat die Vorgehensweise, hier nicht den V7 als solchen, sondern eben C#m7-b zu spielen, einen Namen?
Das wäre eine (gängige) Chord Substitution, Gitarristen denken oft so. Das kommt durch die Akkordgriffe, die sie in Kopf und Fingern haben und statt C#m7b5 könnte man da auch ein Em6 sehen...
Aber solche Bezeichnungen verunklären etwas die harmonische Fortschreitung V7 -> I.
supertobi
Unverzichtbar
Beiträge: 674
Registriert: Mittwoch 13. April 2005, 09:43

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von supertobi »

Danke buddy für die Erläuterung! In BIAB klingt es in der Tat "rund", wenn ich Em7 / Dmaj7 / A9 / Dmaj7 eingebe. Dann hab ich's jetzt intellektuell durchdrungen :mrgreen:

HvL Oiram
Yamaha 6310Z
B&S Challenger 3137/2
flg: B&S Challenger 3148/2 Elaboration
buddy
Unverzichtbar
Beiträge: 6944
Registriert: Samstag 7. April 2007, 16:50
Meine Instrumente ..: Yamaha, Kanstul, Bach

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von buddy »

Wenn Du mit BIAB arbeitest, lohnt sich in solchen Fällen ein Blick auf die Piano Voicings. Je nach eingestellter Stilistik und weiteren Optionen interpretiert der Algoritmus des Programms die Akkordsymbole vielleicht anders als erwartet. Das kann zu "Reibungen" mit deiner Melodie führen. Besonders, wenn sie nicht ebenfalls eingegeben wurde, z.B. per MIDI.
Auf der Gitarre passte beim Ausprobieren auch das B9 (dann mit Grundton auf der sechsten Saite) ganz gut.
Die ersten Töne des zweiten Takts könnte man auch als F#m sehen und hätte dann eine Bewegung von Em7 im ersten Takt über eine IIm V9 im zweiten Takt zu einer IIm V7 im dritten Takt (Em A9) zum Akkord der ersten Stufe Dmaj7, wobei vom zweiten zum dritten Takt eine Ganztonfortscheitung der Akkorde vorläge.
supertobi
Unverzichtbar
Beiträge: 674
Registriert: Mittwoch 13. April 2005, 09:43

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von supertobi »

In der Regel versuche ich auch, die Akkorde auf dem Klavier zu spielen, aber auch da hatte ich es anfänglich nicht geschafft, das ganze zu einer stimmig klingenden Akkordfolge zu verwandeln. Das liegt natürlich überwiegend an meinem technischen Unvermögen am Klavier...

Ich bin immer wieder verwundert, dass man die Interpretation von Harmonien quasi beliebig verkomplizieren kann. Den letzten Satz in Deinem Beitrag, buddy, habe ich z.B. nicht mehr verstanden :Uups:

Nachtrag: richtig lesen hilft... Du meinst also Em7 / F#m7 B9 / Em7 A9 / Dmaj7 ? Das klingt in der Tat auch gut.

Nachtrag #2: Ich hab nochmal ein bisschen am Klavier rumgefummelt. Jetzt kapier ich erst, dass Dmaj7, F#m7 und B9 (ohne Grundton) ja im Prinzip alles die gleiche Chose ist. Und jetzt die Gretchenfrage: Macht das für die Improvisation eigentlich einen Unterschied, an welchen der Akkorde man beim Spielen denkt? Also bei mir nicht, das ist ja sowieso klar. Aber ist diese ganze akademische Herangehensweise l'art pour l'art, oder kann einen das wirklich weiterbringen???
Zuletzt geändert von supertobi am Montag 24. Juni 2013, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.

HvL Oiram
Yamaha 6310Z
B&S Challenger 3137/2
flg: B&S Challenger 3148/2 Elaboration
buddy
Unverzichtbar
Beiträge: 6944
Registriert: Samstag 7. April 2007, 16:50
Meine Instrumente ..: Yamaha, Kanstul, Bach

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von buddy »

Mein letzter Satz?
Ich bleibe jetzt mal un-jazzig beim deutschen H.
In deinem Notenbeispiel steht ein A9 ohne Grundton = C# E G H, also Terz, Quinte, Dominantseptim und None.
C#m7b5 hat genau die gleichen Töne, hier: C# - Grundton, E - Mollterz, G - verminderte Quint und H - kl. Septim und Em6 ebenfalls hat ebenfalls die gleichen Töne, hier: C# - große Sext, E - Grundton, G - Mollterz, H - Quint.
Weil Gitarristen ohne Unterricht meist anfangen, indem sie "tausend" Griffe lernen, ergibt sich bei Vielen ihre besondere Sichtweise nach Griffbildern statt funktionsharmonischen Zusammenhängen.
Bei Interesse an Musiktheorie ändert sich das natürlich.
Zuletzt geändert von buddy am Montag 24. Juni 2013, 22:18, insgesamt 1-mal geändert.
supertobi
Unverzichtbar
Beiträge: 674
Registriert: Mittwoch 13. April 2005, 09:43

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von supertobi »

Jetzt haben sich unsere Beiträge, bzw. Dein Beitrag und mein Nachtrag #2 überschnitten.

HvL Oiram
Yamaha 6310Z
B&S Challenger 3137/2
flg: B&S Challenger 3148/2 Elaboration
Benutzeravatar
Tobias
Unverzichtbar
Beiträge: 1099
Registriert: Sonntag 28. September 2003, 12:32
Wohnort: Kaiserslautern
Kontaktdaten:

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von Tobias »

supertobi hat geschrieben:Jetzt kapier ich erst, dass Dmaj7, F#m7 und B9 (ohne Grundton) ja im Prinzip alles die gleiche Chose ist.
Dmaj7 und F#m7 ok, aber B9? Das sehe (bzw. höre) ich anders. Das D# in B9 ist weder über Dmaj7 (als b9) noch über B9 (als 13) so wirklich wohlklingend, finde ich. Über B9 noch eher, aber über Dmaj7 eher nicht.

Gruß

Tobias

Connstellation 38b
Olds Special (1954)
Getzen Eterna
Flgh Bach Strad 183
Benutzeravatar
Bixel
Unverzichtbar
Beiträge: 6415
Registriert: Samstag 27. Dezember 2008, 08:30
Meine Instrumente ..: bezahlt

Re: Frage: Welche Akkordfolge gehört zu diesem Lick

Beitrag von Bixel »

supertobi hat geschrieben:...ist diese ganze akademische Herangehensweise l'art pour l'art, oder kann einen das wirklich weiterbringen?
Der Gewinn tieferer Einsichten in die Jazz-Harmonielehre besteht m.E. zunächst im Wesentlichen darin, dass der Blick für tonale Räume geschärft wird.

Im vorliegenden Fall deines ersten Beispiels (Em7 / F#m7 Bm7 / Em7 A7 / Dmaj7) lassen sich alle Akkorde als Stufen von D-Dur interpretieren.
Man würde improvisierend also die gesamten vier Takte lang schlicht die D-Dur-Tonleiter bemühen (wie es ja auch deine Melodie tut), statt sich (als Harmonielehre-Greenhorn) die Zähne mühsam an jedem einzelnen Akkord auszubeißen und dadurch Spielfluss einzubüßen.

Im Alternativbeispiel (Em7 / F#m7 B7 / Em7 A7 / Dmaj7) hast du die sechste Stufe (Bm7) "ver-dur-t" und damit eine Zwischendominante (B7) zur zweiten Stufe Em7 geschaffen.
Die ursprüngliche Moll-Terz D wird hier nur ganz kurzzeitig ersetzt durch einen neuen Leitton D#; alle anderen Töne bleiben aber aus D-Dur, sodass sich sich für B7 die B7b13-Leiter ergibt (B-C#-D#-E-F#-G-A-B).

Mit zunehmender (Hör- und Spiel-)Erfahrung wird man das Tonmaterial dann al gusto noch ein wenig raffinierter auswählen (Alteration von Dominanten, chromatic approach etc.).

8)
.
Rausgehen ist wie Fenster Aufmachen, nur viel krasser.
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 81 Gäste