Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschichte.

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

Moderator: Die Moderatoren

Benutzeravatar
Dobs
Moderator
Beiträge: 4739
Registriert: Dienstag 13. Januar 2004, 16:12
Meine Instrumente ..: Yamaha 6335RC, Jupiter JFH-1100R
Wohnort: Hannover

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Dobs »

Zurück zum Thema.

Im Trumpetherald gibt es einen tollen, recht langen Thread in dem ein alter Jazzhase quasi eine Anleitung in verschiedenen Unterrichtseinheiten anbietet, wie man mit Hilfe der Aebersold Bände mehr oder weniger systhematisch an die Improvisation herangeführt wird. Für diejenigen, die gut genug Englisch verstehen, wie ich finde, eine wunderbare Lektüre:

http://www.trumpetherald.com/forum/view ... sc&start=0
"Musik und Bier sind Themen, die traditionell sehr eng miteinander verbunden sind." - Sch.-Hausbrandt (Herri Bier)
CityOfMozart
SuperPoster
Beiträge: 154
Registriert: Dienstag 27. September 2005, 00:38
Meine Instrumente ..: Weber
Schilke
Kanstul
Scherzer

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von CityOfMozart »

Das liest sich vom Beginn an schon mal sehr vielversprechend.
Danke für den Tipp!
Benutzeravatar
orlando_furioso
Unverzichtbar
Beiträge: 1154
Registriert: Montag 10. Oktober 2005, 23:42
Meine Instrumente ..: J*B*S - tp B
J*B*S - flh B
YTR 946 Vorserie
YTR 6810
etc.

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von orlando_furioso »

tplady hat geschrieben:... Bei einem unserer Auftritte in den späten 80ern gab es auf der Bühne einen Disput zwischen unserem Guitaristen und mir: Ich hatte bewusst einen 'komischen' Ton ironischerweise zentral in meinen Chorus plaziert, den unser Guitarist als "falsch" empfand, was ich lächerlich fand. Unser Pianist, damals schon erfahrener Altmeister aus der Berliner Szene (vor meiner Berliner Zeit und den übrigens NOCH HEUTE ältere Berliner Jazzmusiker begeistert erinnern), gab mir recht. Und er brachte im Prinzip Orlando Furioso's Argument an, anfügend, dass sich im Jazz jeder Ton harmonisch begründen lässt. Wenn dieser 'gewagte' Ton eben bewusst eingesetzt wird und nicht aus harmonischer Unwissenheit heraus unterläuft!! Naja, einem der sich als Einsteiger oder Wiedereinsteiger bezeichnete, wollte ich diese Lektion verschweigen. Die müssen sich erstmal mit AMTLICHEN Grundregeln auseinandersetzen.

Selbst wenn tplady nicht mehr mitlesen sollte möchte ich ihre Steilvorlage dennoch aufnehmen. Dieses Rudiment trifft doch den Nagel auf den Kopf. Machen wir mal einen kleinen Vergleich:

Jazz-Trompeten-Improvisateur 1:

  • Hat sich viele Jahre intensiv mit Jazz-Harmonik, Rythmik, Geschichte etc. beschäftigt; setzt jeden Ton, jede Skala ganz bewußt; hat zu Beginn des Solos den kompletten Verlauf bereits im Kopf und spielt mit Andeutungen, Zitaten und jeder Menge harmonischer Tricks; versucht seinen Geist vor jedem Konzert vermittels spezieller Psycho-Techniken zu reinigen, um quasi völlig "entleert" in seine Improvisationen hinein zu gehen (ich übertreibe...)

Jazz-Trompeten-Improvisateur 2:

  • Hat keine Ahnung von dem was er da tut; versucht irgendwelche Phrasen des Stückes aufzugreifen und abgehörte Effekte einzubauen; wenn er mal einen Ton danebensetzt, dann bleibt wer bewusst "drauf" (lässt sich ja alles im Nachhinein begründen) - und wenn er nicht mehr weiter weiß, dann wirbelt er halt noch ein bisschen "Staub" auf (=ultraschnelle Pseudo-Skalen => man spielt einfach schnell rauf und runter und drückt irgendwelche Ventile); setzt am Schluss noch ein paar Töne in der 3. Oktave drauf und reißt sich dann die Kanne vom Mund wie einst der seelige Maynard (ich übertreibe...)

Frage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied?
Frage 2: Wer legt die Maßeinheit fest, um diesen Unterschied zu messen?
Frage 3: Wer bemerkt den qualitativen Unterschied?
Frage 4: Wer unterhält sein Publikum besser?
Frage 5: Wer (aus dem Publikum) kann sich am Ende des Konzertes noch daran erinnern, ob die Improvisation im 3. Stück "gut" oder "schlecht" war?

Für mich steht hier die elementare Frage aller Kunst im Raum und zur Disposition:

Für wen machen wir eigentlich Kunst? Und was ist das Ziel des künstlerischen Schaffens?

J*B*S - Trumpet - Flugelhorn - Cornet - Mouthpiece
Blind Wolf
Unverzichtbar
Beiträge: 693
Registriert: Freitag 31. Januar 2014, 10:56
Meine Instrumente ..: Kornett, Flügelhorn, Trompete, Taschentrompete, Fürst-Pless-Horn, Yidaki
Wohnort: Deutschland

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Blind Wolf »

Orlando, ich finde deinen Beitrag sehr schön und die Fragen gefallen mir nicht nur auf den ersten, sondern auch auf den zweiten und dritten "Blick". Sie aber hier öffentlich zu beantworten hieße, sich auf ein derartiges Glatteis zu begeben, dass man nahezu zwangsläufig nur voll auf die Schnauze fallen kann. Ich beantworte mir die Fragen im Stillen, das reicht mir. Und wenn sich viele, wenn nicht alle mit diesen Fragen gelegentlich beschäftigen würden, könnte das der Anfang einer wunderbaren Musikerszene sein.
Grüße von Wolf
Möge der Krach mit euch sein!
Blas!
Unverzichtbar
Beiträge: 1063
Registriert: Samstag 22. September 2012, 18:30
Meine Instrumente ..: Trompete, Piccolotrompete, Flügelhorn, Kornett, Eigenbau-Didgeridoo

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Blas! »

Blind Wolf hat geschrieben:(...)voll auf die Schnauze fallen(...)
Und wenn schon. Einfach wieder aufstehen.

:wink:
Blas!
pit
Moderator
Beiträge: 183
Registriert: Samstag 18. Oktober 2008, 11:58
Meine Instrumente ..: Bach Stradivarius 180-37
Selmer Hoch B/A

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von pit »

orlando_furioso hat geschrieben:
[.....]
Für mich steht hier die elementare Frage aller Kunst im Raum und zur Disposition:

Für wen machen wir eigentlich Kunst? Und was ist das Ziel des künstlerischen Schaffens?
Für die Kritiker!?
Um die Kritiker zufrieden zu stellen!?

Nein, ganz so ist es wahrscheinlich nicht. Für mich als Amateur (Hobbymusiker) gilt:
Ich mache Kunst? (Musik!), weil es mir Spaß macht. Mein Hobby mit Gleichgesinnten gemeinsam in einer Gruppe zu teilen, steigert zusätzlich den Spaßfaktor und gipfelt darin, dies gelegentlich sogar vor Publikum zu zeigen. Applaus, Applaus, Applaus!

:wink:
Benutzeravatar
Dobs
Moderator
Beiträge: 4739
Registriert: Dienstag 13. Januar 2004, 16:12
Meine Instrumente ..: Yamaha 6335RC, Jupiter JFH-1100R
Wohnort: Hannover

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Dobs »

orlando_furioso hat geschrieben: Frage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied?
JA

Frage 2: Wer legt die Maßeinheit fest, um diesen Unterschied zu messen?
ICH

Frage 3: Wer bemerkt den qualitativen Unterschied?
ICH

Frage 4: Wer unterhält sein Publikum besser?
Derjenige, der das Publikum am besten unterhält.

Frage 5: Wer (aus dem Publikum) kann sich am Ende des Konzertes noch daran erinnern, ob die Improvisation im 3. Stück "gut" oder "schlecht" war?
ICH

Für mich steht hier die elementare Frage aller Kunst im Raum und zur Disposition:

Für wen machen wir eigentlich Kunst? Und was ist das Ziel des künstlerischen Schaffens?
Die Antwort kann sich nur jeder selbst geben.


[/color]
"Musik und Bier sind Themen, die traditionell sehr eng miteinander verbunden sind." - Sch.-Hausbrandt (Herri Bier)
Tacet
SuperPoster
Beiträge: 182
Registriert: Sonntag 6. Oktober 2013, 14:43
Meine Instrumente ..: Trompete

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Tacet »

orlando_furioso hat geschrieben:[
Für wen machen wir eigentlich Kunst? Und was ist das Ziel des künstlerischen Schaffens?

[/color]
Ziel künstlerische Schaffens ist es oft, den Saal leer zu spielen.

Kunst liegt im Auge und Ohr des Betrachters/Zuhörers?
Was für den Kenner/Sensibilisierten Kunst ist, ist für den anderen MIst, und andersherum?

Ist das perfekte Wiedergeben von Rachmaninovs Klavierkonzerten schon Kunst?

Wer kann den schmalen Grat zwischen technischem Können (Schreibmaschine - x Anschläge pro Minute)
und musiklalischem Gehalt erkennen?
Ist der musikalische Vortrag schon Kunst?
Ist eine Improvisation überhaupt Kunst, ist der gekonnte Vortrag eines Trompetenkonzerts (Bach..) Kunst?
Kommt Kunst von Können, Wollen oder vielleicht Müssen?
Wann ist man Musiker, wann Musikant?
Kann ein schlechter Musiker Kunst machen?
Ist Kunst vielleicht sehr relativ?????

Lauter Fragen, die nicht zu beantworten sind, zumindest nicht allgemeingültig.

Letzlich bleibt für mich nur das "Hurz" gültig
Blas!
Unverzichtbar
Beiträge: 1063
Registriert: Samstag 22. September 2012, 18:30
Meine Instrumente ..: Trompete, Piccolotrompete, Flügelhorn, Kornett, Eigenbau-Didgeridoo

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Blas! »

Tacet hat geschrieben:... ist der gekonnte Vortrag eines Trompetenkonzerts (Bach..) Kunst?
Das wäre vielleicht Kunst, ganz sicher aber eine musikwissenschaftliche Sensation.

:wink:
Blas!
FlüTro
Unverzichtbar
Beiträge: 2820
Registriert: Montag 28. November 2005, 21:34
Kontaktdaten:

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von FlüTro »

Nur aus der Trompeten-Trompeter-Perspektive,
da ist die Betrachtung viel zu eng und viel zu klein (kariert).

Trompete ist ein fetziges Teil, wenn man es gezielt einsetzt.

Wenn man aber zum Thema Kunst und Musikalität etwas agen möchte,
dann sollte man am besten Klavier spielen.
(Gitarre geht auch, ist aber nicht so gut).

Ich bin begeistert vom Fender Rhodes,
das erlaubt Klangfarben und hat Obertonreihen,
die ähnlich der E-Gitarre harmonisch-melodischen Spielrum zulassen.
Benutzeravatar
orlando_furioso
Unverzichtbar
Beiträge: 1154
Registriert: Montag 10. Oktober 2005, 23:42
Meine Instrumente ..: J*B*S - tp B
J*B*S - flh B
YTR 946 Vorserie
YTR 6810
etc.

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von orlando_furioso »


@FlüTro:
Nur zum Verständnis:

Machen MNOZIL-Brass deiner Ansicht nach also keine Musik, sind keine Künstler? (Weil da is weder ne Gitarre noch 'n Klavier dabei ...)
Zuletzt geändert von orlando_furioso am Montag 15. September 2014, 12:09, insgesamt 1-mal geändert.
J*B*S - Trumpet - Flugelhorn - Cornet - Mouthpiece
Benutzeravatar
Dobs
Moderator
Beiträge: 4739
Registriert: Dienstag 13. Januar 2004, 16:12
Meine Instrumente ..: Yamaha 6335RC, Jupiter JFH-1100R
Wohnort: Hannover

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Dobs »

orlando_furioso hat geschrieben:Nur zum Verständnis:

Machen MNOZIL-Brass deiner Ansicht nach also keine Musik, sind keine Künstler?
Ist die Frage an mich gerichtet?
"Musik und Bier sind Themen, die traditionell sehr eng miteinander verbunden sind." - Sch.-Hausbrandt (Herri Bier)
Benutzeravatar
orlando_furioso
Unverzichtbar
Beiträge: 1154
Registriert: Montag 10. Oktober 2005, 23:42
Meine Instrumente ..: J*B*S - tp B
J*B*S - flh B
YTR 946 Vorserie
YTR 6810
etc.

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von orlando_furioso »

Dobs hat geschrieben:
orlando_furioso hat geschrieben: Frage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied?
JA
Frage 2: Wer legt die Maßeinheit fest, um diesen Unterschied zu messen?
ICH
Frage 3: Wer bemerkt den qualitativen Unterschied?
ICH
Frage 4: Wer unterhält sein Publikum besser?
Derjenige, der das Publikum am besten unterhält.
Frage 5: Wer (aus dem Publikum) kann sich am Ende des Konzertes noch daran erinnern, ob die Improvisation im 3. Stück "gut" oder "schlecht" war?
ICH
Für mich steht hier die elementare Frage aller Kunst im Raum und zur Disposition:
Für wen machen wir eigentlich Kunst? Und was ist das Ziel des künstlerischen Schaffens?

Die Antwort kann sich nur jeder selbst geben.
Weitergedacht: Also ist es Jazz, wenn du es für Jazz hältst? Oder gehe ich da jetzt einen Schritt zu weit?
J*B*S - Trumpet - Flugelhorn - Cornet - Mouthpiece
Benutzeravatar
orlando_furioso
Unverzichtbar
Beiträge: 1154
Registriert: Montag 10. Oktober 2005, 23:42
Meine Instrumente ..: J*B*S - tp B
J*B*S - flh B
YTR 946 Vorserie
YTR 6810
etc.

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von orlando_furioso »

Dobs hat geschrieben:
orlando_furioso hat geschrieben:Nur zum Verständnis:

Machen MNOZIL-Brass deiner Ansicht nach also keine Musik, sind keine Künstler?
Ist die Frage an mich gerichtet?
@FlüTro
Sorry
J*B*S - Trumpet - Flugelhorn - Cornet - Mouthpiece
Benutzeravatar
Bixel
Unverzichtbar
Beiträge: 6415
Registriert: Samstag 27. Dezember 2008, 08:30
Meine Instrumente ..: bezahlt

Re: Wie Jazz "lernen" bei Wiedereinstieg - kuriose Geschicht

Beitrag von Bixel »

Jazz ist eine (bestimmte) musikalische Sprache.

Jazz lässt sich - wie auch gesprochene Sprache - imitieren.

Wer Imitat und Original nicht unterscheiden kann (bzw. den "Gehalt" eines improvisierten Jazz-Solos nicht "bewerten" kann), der versteht halt die Sprache nicht.

Macht ja nix, denn es gibt ja genügend andere Sprachen.

Bild
Rausgehen ist wie Fenster Aufmachen, nur viel krasser.
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste