Walking Bass

Hier geht es um Improvisieren , Stilistik , halt alles was mit Jazz bzw. Moderner Musik zu tun hat

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Justus.
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Walking Bass

Beitrag von Justus. »

Hallo,

ich habe vor kurzem angefangen einen Walking Bass über verschiedene Jazz Standards zu üben. War am Anfang durchaus nicht leicht (bei schnellen Tempi bzw. exotischeren Akkorden habe ich natürlich immer noch zu kämpfen), bringt mir persönlich aber sehr viel. So kann ich mein Akkordwissen steigern und mich auf vergleichsweise intuitive Weise an das Improvisieren nach Akkorden gewöhnen. Außerdem hilft diese Übung, die Harmoniefolge zu antizipieren, weil ich immer die Überleitung zum nächsten Akkord im Hinterkopf haben muss.

Über die Suchfunktion konnte ich zu diesem Thema hier leider fast nichts finden. Daher die Frage(n): Macht ihr derartige Übungen ebenfalls? Wenn ja: Worauf achtet ihr besonders? Welche Akkordbestandteile (insbesondere bei schnellen Akkordwechseln) spielt ihr in erster Line? Wie stark "darf" man sich zwecks Antizipation des Folgeakkords vom eigentlichen Akkord lösen?

Alle weitere Erfahrungen und Tipps sind ebenfalls willkommen.

Was ich empfehlen kann: Das ganze mit einem anderen Trompeter im Duett machen, sich also mit Solo und Walking Bass abwechseln. Unglaublich beeindruckend finde ich in diesem Zusammenhang das Duett von Thomas Gansch und James Morrison zu wes got rhythm.
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Bixel
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Re: Walking Bass

Beitrag von Bixel »

Das simpelste Prinzip, auf die von dir beschriebene Weise die Akkordfolge eines Tunes zu verinnerlichen, ist:

bei ganztaktigen Akkordwechseln auf Zählzeit 1 den Grundton spielen, auf 3 die Quinte und auf den Zählzeiten 2 und 4 einen (von oben oder unten: egal) chromatischen Leitton zum nächsten Zielton.
Bei halbtaktigen Wechseln: auf 1 Grundton, auf 2 die Quinte, auf 3 (neuer) Grundton und auf 4 die (neue) Quinte.

Damit beantwortet sich auch die Frage, wie weit man sich in der Antizipation vom aktuellen Akkord entfernen darf: beliebig weit ("chromatic approach").
Morrison und Gansch "reiten" das beschriebene Prinzip im verlinkten Clip an zahlreichen Stellen.

Ich übe das nicht auf dem Instrument, sondern allenfalls singend.
Wenn man Walking Lines spontan singen kann, kann man sie auch spielen, vorausgesetzt, man hat die (andernorts beschriebene) "intime Beziehung zum Horn".

:idea:
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uhexer
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Re: Walking Bass

Beitrag von uhexer »

Die drei Grundregeln des Walking Bass spielen sind:

- auf den Akkordwechsel (also meistens die 1 oder die 3) den Grundton spielen, gelegentlich auch Terz oder Quinte
- diesen Ton anspielen (also die 4 resp. die 2) durch Quarte von unten oder Quinte von oben oder (wie Bixel schon schreibt) durch eine Halbton (oder auch Ganzton) von unten oder von oben.
- möglichst sinnvolle, melodiöse Linien bilden, dabei keine allzu großen Sprünge machen, akkordfremde Töne sind dabei durchaus erlaubt sie machen das Salz in der Suppe (nicht überwürzen!).

Davon kann/muss man im Bandkontext aber durchaus abweichen, je nach Besetzung und je nachdem wie die Kollegen spielen.
Gibt es zwei Harmonieinstrumente (Piano, Git) kann man stärker variieren und den Bass solistischer gestalten.
Muss man den Laden auch harmonisch zusammenhalten (z.B. wenn man alleine mit einer solierenden Gitarre oder einem Bläser spielt) sollte man möglichst wenig variieren und die Grundtöne zum Akkordwechsel bringen sowie möglichst viele akkordeigene Töne spielen.

Die von Bixel beschriebenen Quinten auf die zweite schwere Zählzeit würde ich nicht zu häufig spielen, das geht sehr in Richtung Wechselbass und klingt arg brav.

Grüße von Uli (hauptamtlich Bassist, nebenamtlich Trompeter)
blauaug123
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Re: Walking Bass

Beitrag von blauaug123 »

ich kann keine der aufgeführten Regel bestätigen:

-- 1 den Grundton spielen, auf 3 die Quinte und auf den Zählzeiten 2 und 4 einen (von oben oder unten: egal) chromatischen Leitton zum nächsten Zielton.
-- keine allzu großen Sprünge machen

dafür klingt das meiner Ansicht nach schon besser:
-- akkordfremde Töne sind dabei durchaus erlaubt sie machen das Salz in der Suppe (nicht überwürzen!).


ein Walkingbass muss laufen, swingen, man erhält den Eindruck zu treiben, steht jedoch auf den Zählzeiten,
das ist meiner Ansicht nach die einzige Regel,

den Grundton alle zwei, vier oder acht Takte zur 1 zu bestimmen, wäre ganz für daneben solierende Intrumentalisten hilfreich,
aber man spielt mit Sprüngen, engen Intervallen, alle 12 Töne, Trioleneinsatz, abgestoppte triolische Töne, etc.


hört doch einmal die großen Bassisten ... auf drei die Quinte :?
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Bixel
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Re: Walking Bass

Beitrag von Bixel »

blauaug123 hat geschrieben:ich kann keine der aufgeführten Regel bestätigen:

-- 1 den Grundton spielen, auf 3 die Quinte und auf den Zählzeiten 2 und 4 einen (von oben oder unten: egal) chromatischen Leitton zum nächsten Zielton.
-- keine allzu großen Sprünge machen

dafür klingt das meiner Ansicht nach schon besser:
-- akkordfremde Töne sind dabei durchaus erlaubt sie machen das Salz in der Suppe (nicht überwürzen!).


ein Walkingbass muss laufen, swingen, man erhält den Eindruck zu treiben, steht jedoch auf den Zählzeiten,
das ist meiner Ansicht nach die einzige Regel,

den Grundton alle zwei, vier oder acht Takte zur 1 zu bestimmen, wäre ganz für daneben solierende Intrumentalisten hilfreich,
aber man spielt mit Sprüngen, engen Intervallen, alle 12 Töne, Trioleneinsatz, abgestoppte triolische Töne, etc.


hört doch einmal die großen Bassisten ... auf drei die Quinte :?
Ich bin nicht sicher, dass der Threadstifter mit deinen Anweisungen praktisch sehr viel anfangen kann.

Es ging nach meinem Verständnis nicht darum, einen fortgeschrittenen Jazz-Bassisten mit coolen Tipps zu versorgen, sondern darum, einem trompetenden Bass-"Newbie" ein möglichst einfach umsetzbares System an die Hand zu geben.

Deshalb nannte ich meine (im Gegensatz zu deinen) konkreten Hilfen eingangs meines Beitrags "das simpelste Prinzip". Vielleicht probierst du das (Bassist, der du bist) erst einmal selbst konsequent aus; zur klanglichen Darstellung einer Akkordfolge funktioniert das verblüffend gut (wie auch Gansch und Morrison bei ihren Rhythm Changes zeigen) - obwohl die Terzen und Septimen fehlen.

:?
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Re: Walking Bass

Beitrag von uhexer »

Bixels letztem Beitrag hab ich nichts hinzuzufügen!

Vielleicht das Eine: es stimmt schon, beim walken ist es fast wichtiger wann der Ton gespielt wird als welcher Ton gespielt wird, die Töne können noch so folgerichtig ins Akkordschema passen, wenn sie nicht richtig phrasiert werden und das Timing nicht stimmt, groovt es nicht.
Aber das interessiert einen Trompeter, der im Duo mit einem zweiten spielt und eine harmonisch sinnvolle Walkingbass-Linie als Begleitung spielen will nicht so sehr.
Es ging ja letztlich um eine "Vertiefung des Akkordwissens" und eine "Verinnerlichung der Harmoniefolge"...
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lurchi
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Re: Walking Bass

Beitrag von lurchi »

Wenn ich mal zum Bass greife dann mach ich es auch eher so wie bixel es beschrieben hat, dann kann ich auch mit meinen bescheidenen Fähigkeiten was Brauchbares abliefern. Als Bassist muss man das Fundament liefern auf dem jeder dann sich zurechtfinden kann, und da ist weniger oft mehr. Coole Basslinien die deine Mitmusiker verwirren sind vielleicht coole Basslinien, aber für das Gesamtspiel nicht hilfreich.
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Justus.
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Re: Walking Bass

Beitrag von Justus. »

Vielen Dank schon einmal für eure Antworten! :gut:

Mein Ansatz ist dem was Bixel und uhexer beschrieben haben relativ ähnlich. Allerdings spiele ich auf der 2 häufig die Terz und erst auf der 4 einen Halbton unter/über dem Grundton des Folgeakkordes. Oder ich spiele z. B. auf der 2 die Sexte des Folgeakkords (meist eine Oktave tiefer) und dann chromatisch hoch.

Beispiel für eine II/V/I Progression (Dm7 - G7 - CMaj7):
D F A Ab - G A Bb B - C

Das klingt ganz cool, ist dem anderen Trompeter gegenüber aber vielleicht nicht so nett, weil man G7 im zweiten Takt nicht mehr richtig erkennt.
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Bixel
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Re: Walking Bass

Beitrag von Bixel »

Justus. hat geschrieben:Beispiel für eine II/V/I Progression (Dm7 - G7 - CMaj7):
D F A Ab - G A Bb B - C

Das klingt ganz cool, ist dem anderen Trompeter gegenüber aber vielleicht nicht so nett, weil man G7 im zweiten Takt nicht mehr richtig erkennt.
Die von dir genannte bass line klingt schon deutlich "amtlicher" als das von mir als Ausgangspunkt empfohlene Prinzip, weil sie melodisch ungleich zwingender ist. :gut:
Durch die in ihr enthaltenen Terzen entsteht auch ein differenzierterer Eindruck von den ihr zugrunde liegenden Akkorde (Dur/moll).
Die Quinten geben da weit weniger Auskunft, weil sie in allen Akkorden identisch, nämlich rein, sind (mit Ausnahme halbverminderter, vollverminderter, übermäßiger und alterierter Akkorde).

Dein Duopartner sollte deine genannten Töne über G7 m.E. sehr "nett" finden, vorausgesetzt, er verfügt über entsprechende Jazz-Hörerfahrungen.

Vielleicht kannst du die beiden "Ideen" ja Gewinn bringend mischen?

:)
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Re: Walking Bass

Beitrag von Denizeero »

uhexer hat geschrieben:Die drei Grundregeln des Walking Bass spielen sind:

- auf den Akkordwechsel (also meistens die 1 oder die 3) den Grundton spielen, gelegentlich auch Terz oder Quinte
- diesen Ton anspielen (also die 4 resp. die 2) durch Quarte von unten oder Quinte von oben oder (wie Bixel schon schreibt) durch eine Halbton (oder auch Ganzton) von unten oder von oben paris cdg transfer.
- möglichst sinnvolle, melodiöse Linien bilden, dabei keine allzu großen Sprünge machen, akkordfremde Töne sind dabei durchaus erlaubt sie machen das Salz in der Suppe (nicht überwürzen!).

Davon kann/muss man im Bandkontext aber durchaus abweichen, je nach Besetzung und je nachdem wie die Kollegen spielen.
Gibt es zwei Harmonieinstrumente (Piano, Git) kann man stärker variieren und den Bass solistischer gestalten.
Muss man den Laden auch harmonisch zusammenhalten (z.B. wenn man alleine mit einer solierenden Gitarre oder einem Bläser spielt) sollte man möglichst wenig variieren und die Grundtöne zum Akkordwechsel bringen sowie möglichst viele akkordeigene Töne spielen.

Die von Bixel beschriebenen Quinten auf die zweite schwere Zählzeit würde ich nicht zu häufig spielen, das geht sehr in Richtung Wechselbass und klingt arg brav.

Grüße von Uli (hauptamtlich Bassist, nebenamtlich Trompeter)
Danke für die Info Walking Bass und detaillierte
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