Wertschätzung der Musik am Beispiel Kirche

Hier geht`s um die klassischen Stücke,Märsche,Techniken etc.

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Wolfgang Huhn
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Wertschätzung der Musik am Beispiel Kirche

Beitrag von Wolfgang Huhn »

Wertschätzung der Musik am Beispiel Kirche

Nach heftigen und teilweise sehr mißverständlich geführten Auseinandersetzungen zu ähnlichen Problematiken, möchte ich hier ein beispielgebendes Thema eröffnen, indem ich einige - für den einen oder anderen vielleicht zunächst provokative - Einschätzungen meinerseits zur Diskussion stelle. Ähnliche Problematiken finden sich auch in allen anderen Bereichen der Musik oder der anderen Künste in der sogenannten ‘Kulturnation Deutschland’.

Vorausschickend möchte ich sagen, daß ich als Unterstüzung meiner Thesen immer die Tatsache voraussetze, daß die beiden großen Kirchen uns Musikern und den Gläubigen bzw. Nichtgläubigen ein Bild von sich zeigen, das verlogen ist! Die Kirchen besitzen bekanntermaßen unermessliche Werte, beispielsweise in Form von Immobilien in der ganzen Welt (Hochhäuser in USA etc.). Wenn sie behaupten, auf Grund des Mitgliederschwundes zu verarmen, so möchte ich eher glauben, sie hätten auch wegen dieser Lüge Mitgliederschwund. Tatsache ist für mich, das Geld wird nicht locker gemacht, weder für wichtigere caritative Zwecke, noch für die Musik. Es ist also ein gesellschaftspolitisches Thema, das voraussetzt, man ist bereit, weiterzudenken und vor einer übereilten Antwort sich mit der Problematik gut vertraut zu machen. Nun aber zum Thema und meinen Thesen:

Bekanntermaßen gibt es in der Kirchenmusik zwei grundsätzliche Abteilungen:
Laienmusik: Chöre, Posaunenchöre, etc.
Profimusik: Kantoren, festangestellte und frei zu engagierende Profimusiker.

Mir fällt zunehmend auf, daß die aufgeführte Kirchenmusik immer mehr an Qualität verliert. Kantoren fühlen sich gezwungen (!), bei gleicher Menge an geforderter Musik die Qualität zu senken, weil sie weniger Geld haben um Musiker zu engagieren.

Wurde man früher engagiert, war die Frage zur Grundlage eines Honorargespräches: „Und wieviel verlangen sie dafür?" Wird man heute engagiert, heißt es (von den gleichen Leuten): „Aber sie wissen ja, bezahlen können wir nicht viel, eigentlich ist mein Etat schon nahezu erschöpft."

Wenige Kantoren wagen es, den Kirchenoberen zu sagen: „Leistung kostet Geld!" Kein Kantor wagt es, zu sagen: „Dann gibt es halt nur noch eine Kantate im Jahr, anstatt vieren und nur zwei herausragende Konzerte anstatt einer Konzertreihe! Wem das zu wenig ist, der soll - wie auch immer - Geld locker machen."

Die Kantoren befinden sich natürlich in der undankbarsten Position.

Den engagierten Kirchenchören, die aus mehr oder weniger guten Laien bestehen, sollte meiner Meinung nach als Begleitung im Bedarfsfalle immer ein Orchester zur Verfügung stehen, welches deren Leistung stützt, ja den Chor zu höherer Leistung anspornt. Immer häufiger heißt es aber dann: „wir würden gerne richtig gute Musiker holen, aber wir sind ja froh, wenn wir jemanden bezahlen können, der die Noten spielen kann!" Den Kirchenbesuchern sollte zumindest an den Hochfesten erstklassige Musik geboten werden. Gitarrespielende Pfarrer und Blockflöte blasende Kindergärtnerinnen beleidigen meiner Meinung nach die Kirche und ihren selbstgegebenen Auftrag ebenso wie meine Ohren.

Mir ist es, und das möchte ich hier stark betonen, vollkommen egal, ob gute Leistungen von einem gut bezahlten Profi oder einem Studenten oder einem ebensogut bezahlten engagierten Laien angeboten werden! (Es gibt ja auch schlechte Profis und erstklassige Laien, der Unterschied liegt natürlich nicht alleine darin, ob jemand ein Musiker-Examen hat.)

Mir geht es darum, daß gute Leistung ihren Preis hat, schlechte, billige Leistung aber ihre schlimmen Folgen.

Meiner Meinung nach müßte längst ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen, daß die klassische Musik krankt, weil man sie schlecht behandelt. Sie krankt, weil das Herz, nämlich die live gespielte Musik, immer weiter auseinanderklaffend nur noch als mehr oder weniger musikalischen „Event" für die Reichen („Waldbühne Berlin", „Die dreizehn Tenöre" etc.) oder als Armeleuteveranstaltung mit „Musikern, die man bezahlen kann" stattfindet. Willkommene Ausnahmen bestätigen diese Regel. Noch.

Wenn mir ein erstklassiger Kantor (oder in anderem Falle ein selbsternanter Konzertveranstalter), der meine Leistung kennt und angeblich schätzt, für ein Konzert mit Solotrompete ein Honorar anbietet, das einem Handwerkerlohn oder gar Hilfsarbeiterlohn gleichkommt, fühle ich mich beleidigt. Ist das überheblich? Das Pokerspiel heißt: „Wenig anbieten, auf die Dränendrüsen drücken und gegebenenfalls so tun, als ob ich im Notfall lieber einen Schüler engagiere!"

Wenn ich neben Leuten musizieren muß, die ihr Instrument einigermaßen ansprechend spielen, aber keinen Dunst von der stilistisch sicheren, also der den heute bekannten Regeln entsprechenden Interpretation, der Musik haben, die sie machen, wenn also Leute engagiert werden, weil sie billig sind, betrachte ich das dort, wo man einen öffentlichen Auftrag hat(!), als Unverschämtheit gegenüber der Sache, der Musik, der Komponisten und dem Publikum. Gleichwohl, ob die Verantwortung hier bei einem Kantor oder bei dessen Arbeitgeber zu suchen ist.

Ich rede hier nicht von den vielen Veranstaltungen, die von Laienmusikern getragen werden und die als solche kenntlich sind. Diese sind in der Musikwelt die unentbehrliche Basis, an welcher ich nicht gedenke zu rütteln!

Diese Laien, früher nannte man sie keineswegs geringschätig gemeint, Dilettanten, sind es ja auch, die hier um bessere Musik betrogen werden. Sie sind es ja auch, denen nicht bei zumindest von mir erhofften vielen Veranstaltungen lupenreine Musik als Beispiel geboten wird, nach dem es zu streben gilt. Hier hatte die DDR uns einiges voraus, was auch platt gemacht wurde, anstatt es zu assimilieren.

Mit guten Dilettanten (der kleine Duden nennt sie „Laien mit fachmännischem Ehrgeiz"), also Leuten, die ihre Grenzen kennen und diese in der öffentlichen Ausführung wahren, arbeite ich sehr gerne zusammen. Und mir scheint, hier im Forum gibt es davon sehr viele. An sie wende ich mich mit diesem Artikel, dessen Länge es den anderen vielleicht glücklicherweise auch schwermachen wird, sich auf das Thema einzulassen.

Natürlich rede ich nicht vom Kölner Dom oder von der Thomaskirche zu Leipzig. (Und freilich, dies möchte ich ergänzen, nicht von der Dorfkirche in Weithinterdemwald, wo einmal im Jahr ein Konzert stattfindet, wobei man dort besonders auf gute Qualität achten sollte!) Der Großteil der Kirchenmusik scheint im Moment bald nur noch zu erhalten sein, wenn man grundsätzlich auf billig setzt oder radikal wenige gute „lupenreine" Aufführungen spielen läßt um ansonsten alles durchgehen zu lassen, Hauptsache es dudelt.

Einige unsolidarische Kantoren (und Konzertveranstalter) suchen die Alternative bei Musikern aus den lohnschwachen Nachbarländern. Zweifellos gibt es da sehr gute Leute. Aber auch viele, die dann auch nur für das Geld spielen, ohne inneres Engagement, ohne Bezug zur Gesellschaft. Und wie steht es in diesen Fällen um kulturelle Identität beim Musizieren von Bach, Telemann und Händel (wenn wir den Wahl-Engländer als deutsch durchgehen lassen)? Wie steht es in diesem Falle um die gesellschaftspolitische Aufgabe der Kirchen, denn das ist ja auch Verlagerung von Arbeitsplätzen ‘ins Ausland’?

Hier meine Fragen an Euch:

Wie kann man dem Dilemma begegnen?

Kirchenmusikerstreik?
Weitermachen in der Hoffnung, es bessere sich, wenn wieder bessere Zeiten kommen (neue Politiker, ein neuer Messias)?
Mit Verantwortlichen reden (was ich mache)?
Mit den Menschen reden (dito)?
Selbst auch die Bereitschaft zu haben, die Wertschätzung guter Musik beim Bezahlen höherer Eintrittspreise in der Kirche zum Ausdruck zu bringen?

Oder ist alles so in Ordnung und ich lebe in einer anderen Welt als der Rest der (Big-Brother-)Gesellschaft?
Zuletzt geändert von Wolfgang Huhn am Mittwoch 29. Juni 2005, 23:44, insgesamt 3-mal geändert.
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nic
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Beitrag von nic »

hallo wolfgang,
du lebst meiner meinung nach noch in einer besseren welt, oder laß es mich so ausdrücken: es geht auch noch schlimmer. ich kenne einen posaunenchor, der aufgelöst wurde, weil es der gemeinde zu teuer war, im winter die heizkosten für den probenraum zu übernehmen. so eine gemeinde hat meiner meinung nach die blockflöte und die klampfe redlich verdient. dies ist allerdings ein beispiel aus dem amateurbereich, aber ich denke, im kirchenbereich ist das schwer zu trennen, da ja chorleiter bezahlt werden. man mag zu posaunenchören stehen wie man will, aber für viele ist es auch teil ihrer kulturelen identität, die so einfach verschwindet.
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Beitrag von Trompaty »

Darf ich, als Amateurmusiker, also nicht in Hochzeitsmessen, zusammen mit der Orgel, klassische Stücke wie Ave Maria von Schubert, Trumpet Voluntary oder Feuerwerksmusik von Händel spielen???
Ich mache es schon seit einigen Jahren und die Leute wollen mich immer noch haben, weil sie mich gehört haben und es toll fanden.
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Re: Wertschätzung der Musik am Beispiel Kirche

Beitrag von gotteswerk »

Wolfgang Huhn hat geschrieben: ..... Musikern aus den lohnschwachen Nachbarländern. Zweifellos gibt es da sehr gute Leute. .... . Und wie steht es in diesen Fällen um kulturelle Identität beim Musizieren von Bach, Telemann und Händel (wenn wir den Wahl-Engländer als deutsch durchgehen lassen)?
Hallo,

Wie lösen denn Japaner oder Koreaner das "Problem" der kulturellen Identität bei Beschäftigung mit europäischer Klassik?
Wie kann man dem Dilemma begegnen?
Keine Ahnung, scheint mir aber spezifisch ein Problem der Kirchen und Gemeinden zu sein? Vielleicht über Gemeinderäte, übergeordnete Kirchenräte etcpp? Wie bringt man die Kirchen dazu, Geld lockerzumachen?
Vielleicht Druck machen, indem man derlei sakrale Musiken in Konkurrenzveranstaltung darbietet?

Wertschätzung der Musik zeigen durch Zahlen höherer Eintrittspreise.
Ja, das wünsch ich mir auch.
Ich meine, meine Wertschätzung auf diese Weise zeigen zu können . . . .


Viel Glück,
GW
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Beitrag von gb1 »

Hallo Wolfgang,
als Mitglied der evangelischen Kirche und ehemaliger Posaunenchorspieler möchte ich deine folgende Aussage kommentieren.
Die Kirchen besitzen bekanntermaßen unermessliche Werte, beispielsweise in Form von Immobilien in der ganzen Welt (Hochhäuser in USA etc.).
Die Kirchen, wenn Sie vernünftig wirtschaften wollen, sollten ihre laufenden Kosten aus den laufenden Einnahmen decken können, insofern wirkt sich der Mitgliederschwund natürlich auf die verfügbaren Mittel aus. Wenn denn die Kirchen ihr Vermögen angreifen würden, sehe ich zumindest nicht ein, dass dies für die Förderung der Kirchenmusik geschehen sollte (Katastrophenhilfe, Seelsorge etc. halte ich im kirchlichen Kontext für wichtiger). Zumal wir nicht vergessen dürfen, dass der Verkauf von "Tafelsilber" selbst bei großen Vermögenswerten nur zeitlich begrenzt Mitte zur Verfügung stellt, ein Hochhaus in den USA dauerhaft Einkünfte bedeuten kann etc.

Dies nur vorausgeschickt, um meine persönliche Meinung zum Thema "Wirtschaftsbetrieb Kirche" darzulegen.

Zum Thema: Deine Aussage
Wenige Kantoren wagen es, den Kirchenoberen zu sagen: „Leistung kostet Geld!" Kein Kantor wagt es, zu sagen: „Dann gibt es halt nur noch eine Kantate im Jahr, anstatt vieren und nur zwei herausragende Konzerte anstatt einer Konzertreihe! Wem das zu wenig ist, der soll - wie auch immer - Geld locker machen."
zeigt meines Erachtens das Dilemma ganz deutlich auf. Zwar bin ich der Ansicht, dass der klampfende Pfarrer, die Blockflöten und auch ein Posaunenchor in die Kirche gehören und der Ruhm Gottes durch falsche Töne der vorstehend genannten nicht geschmälert wird. Jedoch sollte hochklassige Musik, von entsprechend qualifizierten und auch bezahlten Musikern, auch ihren Platz in der Kirche haben. Dies kann imho nur durch die Reduzierung der Quantität der Konzerte zu Gunsten der Qulität erreicht werden.

Leider führt dieser Ansatz aber auch zu einem Einkommensausfall der Musiker. Bei der jetzigen Praxis wird weniger Geld pro Auftritt verdient, bei obigem Ansatz werden weniger Auftritte statt finden oder diese sich auf weniger Personen verteilen. Insofern ergäbe sich eine ziemlich klare Trennung zwischen der "normalen" Kirchenmusik (im Gottesdienst weiterhin mit Orgel, Posaunenchor, Blockflöten etc.) sowie Konzerten dieser Gruppen (zur Freude der Mitwirkenden, deren Familienangehörigen und mehr oder weniger großen Zahl der Zuhörer) und echten Konzerthighlights (zur Freude aller Zuhörer), die von engagierten Profis vorgetragen wird. Die Mittelmäßigkeit zahlreicher heutiger Konzerte bliebe uns dann erspart, die Einkommenssituation der Musiker würde sich aber wohl drastisch verändern. Für einige zum besseren, für viele zum schlechteren.

Viele Grüße
Gerhard
Ich kenne die Noten, aber die Noten kennen mich nicht!
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lurchi
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Beitrag von lurchi »

Hallo Wolfgang,
ich hab den Eindruck dass es dir mit diesem Beitrag sehr gut gelungen ist deine Meinung klarzulegen (soll heißen er war so geschrieben dass selbst ich das Gefühl hab ihn verstanden zu haben).
Bezüglich der Wirtschaftspolitik der Kirche: ich bin mir nicht mehr so sicher wie früher dass die Kirche einen rein usurpatorischen, kapitalistischen Kurs verfolgt, soll heißen, ich glaub nicht dass einfach auf Teufel komm raus versucht wird, materielle Werte anzuhäufen.
dass im Kulturbetrieb zur Zeit erheblich gespart wird ist eine bittere Wahrheit. Dass es auch für die Laienmusiker Schade ist wenn sie als Sänger, die monatelang engagiert geübt haben, bei Aufführungen nicht auf professionelle Unterstützung vertrauen können, ist unbestreitbar.
Aber ich fürchte, es ist einfach so. Es ist kein Geld da, mit dem man dne Menschen bessere Musik aufzwingen kann. Nicht im Augenblick. Das Komische ist dass für Musik im Prinzip schon Geld da ist. 2 Euro für einen Scheiß Klingelton? Erstaunlich, die hab ich nicht.
Erstaunlich aber auch, gerade im Mangel setzt sich oft dann wieder Qualität durch, geben die Menschen für gute Musik doch wieder Geld aus. Nicht nur im Klassikmarkt, da bewegt sich noch viel in den eingefahrenen Subventionsschienen, auch in der modernen "unterhaltungsmusik" setzen sich häufig nicht die Mainstream-geglätteten Hochglanzprodukte der Industrie durch, sondern ein paar Independents überzeugen mit technisch schwächerer aber inhaltlich bedeutenderen Werken.
Ich glaube nicht dass ein paar vergeigte (verblasene ) Werke der (erweiterten) Klassik den Untergang des Abendlandes bedeuten. Sie bedeuten für einige Leute dass sie sich umorientieren müssen, der Musikmarkt gibt keine garantierten Gagen her, Als Musiker bist du die Hure der Leute. Wenn du nicht mit Billigjobs auf der Rücksitzbank dein Geld verdienen willst, dann musst du authentische Ware im exklusiven Millieu absetzen. Oder aussteigen. Ob es besser wäre gutes Geld für gute Leistung zu zahlen entscheiden leider andere.

Gruß
Uli
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Wolfgang Huhn
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Bitte erst lesen, dann nachdenken, dann antworten. Danke!!!

Beitrag von Wolfgang Huhn »

Hallo Leute!

Ich möchte vorerst die mehr oder weniger reflektierten und reflektierenden Äußerungen der anderen Forumsmitglieder nicht beantworten.

Erst mal sehen, was Ihr untereinander zu dem Thema zu sagen habt, ob es Euch insgesamt gelingt, das Thema aufzugreifen und Lösungswege aufzuzeigen (gerne auch welche, die mir nicht eingefallen sind!).

Es fällt mir auf, daß es einigen der bisherigen Antworten (mehr oder weniger) daran mangelt, beim Thema zu bleiben, das ich, da bin ich mir sicher, klar formuliert habe.

Gotteswerk und lurchi sind auf der richtigen Spur. Danke!!!

Es wäre nett, wenn weitere Schreiber sich an die Regel hielten, erst meinen Text GENAU zu lesen, bevor es zu weiteren Antworten von Leuten kommt, die das nicht so halten.

Danke
Wolfgang
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Beitrag von guenni-trumpet »

Hallo,
was sich leider immer wieder feststellen lässt ist, dass in Zeiten wirtschaflticher Schwierigkeiten immer bei Dingen gespart wird, die man vordergründig nicht braucht. Und so ist es auch bei der Musik. Bei fast 5 Mio. Arbeitslosen lässt sich eine hochsubventionierte Kulturpolitik nicht mehr aufrecht erhalten. Das ist Fakt.

Doch wenn ich mir die Kirchenmusik anschaue, so fällt mir dort einiges auf. Ich möchte meine Betrachtungsweise hier aber auf die katholische Kirche ausrichten, da ich hier den meisten Einblick habe.

Dass die gute Kirchenmusik lahmt, hat viele Gründe.
Vieles scheitert an perönlichen Eitelkeiten der Pfarrer, Pfarrgemeinderäten und anderen Funktionären. Viele von ihnen sehen sich selbst am liebsten im Mittelpunkt. Wird Musik "geboten" kommen vielleicht die Leute nur wegen der Musik in die Kirche, und das ist für viele unerträglich.

Auch, wie ich an anderer Stelle bereits formuliert habe, spielen so manche theologische Überlegungen eine Rolle. Mittelpunkt im kirchlichen Leben soll das [/b]Wort Gottes ein. Wird Musik aufgeführt, so steht womöglich Gott nicht mehr im Mittelpunkt, sondern die Musik und noch schlimmer die Aufführenden.

Dann kommt hinzu, dass viele Kirchenmusiker einfach frustriert sind aufgrund der Querelen mit den Pfarrern und Gemeindegremien. Wenn man ständig darum kämpfen muss, genug Etat für eine gute musikalische Aufführung bewilligt zu bekommen oder überhaupt mal Musik aufführen zu dürfen, dann erlahmt irgendwann dieser Kampfgeist. Dann setzt man den Etat ein, den man bekommt. Für das Geld bekommt man aber keine Spitzenleistungen mehr.

Noch etwas zum Thema Geld in der Kirche. Was mich wundert ist, dass in der katholischen Kirche jeder Pfarrer in der Besoldungsstufe A 13 ist, also bezahlt wird wie ein Jurist im Staatsdienst. Jeder Bischof und Domkapitular ist in der B-Besoldung, was den Gehaltsstufen von hohen Ministerialbeamten entspricht. Gleichzeitig haben diese Leute aber keine Familien zu versorgen, zahlen nur geringe Mieten, weil sie in Wohnungen der Kirche leben. Für "Fehltritte" zahlt die Kirche stillschweigend die Alimente. Dafür ist Geld da, bei der Musik wird dann gespart.... :evil:

Ich weiß, das alles ist etwas plakativ und einfach dargestellt, aber für komplexere Ausführungen fehlen mir Zeit und Platz. Und meine Meinung spiegelt es trotzdem wider.

Lösungsmöglichkeiten? Ich habe keine zündende Idee. Vielleicht könnten sich Pfarrgemeinden in musikalischen Dingen zusammentun. Es gibt ja durchaus Gemeinden, bei denen außer der sonntäglichen Orgelmusik gar nichts musikalisches passiert, die nicht mal einen professionellen Kirchenmusiker haben. Die könnten sich doch zusammenschließen und Konzerte/Aufführungen gemeinsam organisieren, bzw. Gemeinden, die ein reges Musikleben aufrechterhalten wollen, können mit diesen Partnerschaften eingehen. Das hätte zwei entscheidende Vorteile:
In Gemeinden, wo sonst nie etwas musikalisch passiert, könnte das Musikleben aufblühen, die Kosten würden auf mehrere Schultern verteilt. Man könnte schöne Werke dann mehrmals aufführen, was den Aufwand des Probens mehr rechtfertigen würde.

War nur so'n Gedanke
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Re: Bitte erst lesen, dann nachdenken, dann antworten. Danke

Beitrag von gotteswerk »

Wolfgang Huhn hat geschrieben: ob es Euch ..... gelingt, ..... Lösungswege aufzuzeigen (gerne auch welche, die mir nicht eingefallen sind!).
Hallo,

nichts ist unmöglich!! :wink:

Als ich mich gestern Abend rezeptiv gemacht habe, gingen mir paar Sachen durch den Kopf.

Frage vorweg: hast du nen Manager? Wenn ja - ist sie hübsch? Wenn nein - warum nicht?

Aber im Ernst - wir leben im Zeitalter der Eventkultur. (Vor 30 Jahren war der "Eventmanager" noch weitgehend unbekannt).
Heute (vor allem im Sommer), gibt es irgendwelche Veranstaltungen an jeder Ecke, in jedem Dorf, in jeder Scheune. Auf jeden Fall wesentlich mehr, als noch vor . . . . (naja, egal).

Wenn es denn also um die Finanzierung anspruchsvoller Konzerte geht, warum nicht auf die Rezepte des Eventmanagements zurückgreifen?

Warum nicht Kirchenkonzerte (oder gleich Konzertreihen) organisieren, die (durchaus auch ausserhalb der kirchlichen Feiertage) mindestens teilweise fremdfinanziert sind? Möglich wäre das unter Einbindung von Sponsoren (lokale Firmen ebenso wie Überregionale Unternehmen) oder auch öffentlicher (weltlicher) Kulturförderung (In den diversen Haushaltsberatungen wird schliesslich doch immer noch Geld für allerlei Veranstaltungen lockergemacht, halt ein Scheibchen abschneiden . . .)

Wenn (ähnlich wie bei Meister Huhn`s Terminen für den Juli) verschiedene Solisten eingebunden würden, hätte das ganze vielleicht auch noch mehr Zugkraft.
Vorteil für die Kirche: Plublicity, Öffentlichkeit.
Vorteil für die Musik: Präsentation auf angestrebtem hohem Niveau möglich, Öffentlichkeit
Vorteil für Musiker: Angemessene Gagen sollten drin sein.
Vorteil für Dümmlinge wie mich: Eintrittspreise erschwinglich oder auch nur symbolisch.

Das bedeutet natürlich viel Organisationsarbeit und sicher auch etwas verkäuferisches Talent, viele Kontakte zu Verantwortlichen der Kirchen, zu Politikern (Kommunale Ebene), evtl. zu Veranstaltern oder mit der Planung und Durchführung solcher Events vertrauter Fachkräfte.
Viel Arbeit, die ein Manager anschieben, begleiten, übernehmen könnte, sodass sich der Künstler auf seine Kunst konzentrieren kann.

Ich hatte letztes Jahr ein paar Wochen in der Nähe von Braunschweig zu tun und habe in der Lokalen Presse (die auch im Harz verbreitet wird) die Ankündigung und Besprechungen eines "Events" verfolgt, dass eine Harzgemeinde auf die Beine gestellt hatte.
Und zwar wurden mehrere Blasmusiken präsentiert, Zugpferde waren Militärkapellen aus Tschechien und Weissrussland (!!!), Finanziert wurde das Ganze Spektakel zu einem guten Teil über Sponsoring.
Und das Ganze in einem wohl eher kleinen Dorf, Stichwort Tourismus.

Nun Meister Huhn, ruhig Blut, natürlich weiss ich, dass du in einer anderen Liga spielst, aber wenn ein kleines Dorf in Eigenregie so etwas hinbekommt, dann sollte es doch möglich sein für ein musikalisches Schwergewicht wie du es bist, in grösserem Rahmen mit Hilfe von zuständigen Entscheidern (Politik, Kirche) und professioneller Hilfe (Management) deine Vision voranzubringen, der allgemeinen kulturellen Verflachung und Verarmung entgegenzuwirken.
Ebenso nehme ich mal stark an, dass Projektverantwortliche im Interesse des Erfolges und der Werbung auf versierte Musiker zurückgreifen wollen und auch entsprechende Gagen einkalkulieren.

Sozusagen den potentiellen Konflikt in kreative Spannung verwandeln.

Guennis Gedanken (Zusammenschliessen mit anderen Gemeinden etcpp) gehen denke ich in prinzipiell in dieselbe Richtung. Auch denkbar wären Verbindungen zu bereits öffentlich geförderten Einrichtungen, seien es Musikschulen, Hochschulen oder amtliche Klangkörper.
Undsoweiterundsofort . . . .

Ha!!
Ich wünschte ich könnte so Tp spielen wie McHuhn.
*träum*
*seufz*

Alles Gute
Viel Erfolg
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Neue Gedanken

Beitrag von Wolfgang Huhn »

Ja, das mit den Events. Heute in der Alten Oper Frankfurt zum 175jährigen Jubiläum einer Versicherung die den Namen einer großen ostdeutschen Stadt trägt (also nicht Nürnber, gelle?), sprach der Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker von Eigenverantwortung, Eigeninitiative etc. (Der Bürgermeister der nichtgenannten Stadt war per Großleinwand zu Gast...

Ist schon interessant, wenn die Mächtigen der Neuzeit so feiern, und man steuert seine Nabucco-Ouvertüre etc. bei. DA kommen einem Gedanken!

Ich werde wohl eine neue Glaubensrichtung gründen müssen: Neubuddhistische Buder- und Schwesternschaft der musikalischen Eventbeter: Spenden, die das Karma erleichtern, herzlich willkommen!

Danke für die Komplimente, Gotteswerk, kannst den Meister aber weglassen. Es scheint heute ein komplimentöser Tag für mich zu sein.
Wolfgang
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Beitrag von gotteswerk »

Was für eine Lösung ist denn praktikabel?
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Unbekannt

Beitrag von Unbekannt »

wertschätzung=mehr geld??????????

naja aber wenn du mehr geld haben willst/wenn man mehr geld haben will muss man eben wirklich druck auf die gemeinden machen denke ich...wie auch immer...streiken hilft aber sicher nihts da sie sich dann andere leute jolen die das für weniger geld machen...
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Wertschätzung/Geld

Beitrag von Wolfgang Huhn »

Mehr Geld kann EIN Effekt von mehr Wertschätzung sein. Aber zunächst wäre mir wichtiger, der WERT DER MUSIK würde wieder mehr GESCHÄTZT, der Wert, dessen was gute Musiker machen, was wirklich gute Kompositionen bewirken (gegenüber den trivialen Kompositionen, die aus "Volkesnähe" heute immer mehr Einzug auch in die Kirche halten und zur Volksverdummung beitragen).

Und wenn die Leute wieder mehr davon verstehen, wo der Unterschied zwischen guter und schlechter Musik liegt, kommen Musiker, die technisch einwandfrei UND beseelt Musik zu machen verstehen auch wieder öfter zum Zuge.

Dann ist es nur eine Frage der Wertschätzung des Könnens dieser Musiker, die sich letztlich auch im Honorar ausdrückt.



(NB. Gute und schlechte Musik gibt es in jedem Metier, gute Pop-Musik, schlechte Pop-Musik, aber wir reden hier von Kirchenmusik, bitte also die Diskussion über gute und schlechte Musik auszuklammern. Ich weiß, Leute, die Texte nicht interpretieren können möchten jetzt gleich wieder unterstellen ich hielte nur Klassik für gut, also bitte ich diese, sich zurückzuhalten, ja?)
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Re: Wertschätzung/Geld

Beitrag von gotteswerk »

Wolfgang Huhn hat geschrieben:
Und wenn die Leute wieder mehr davon verstehen, wo der Unterschied zwischen guter und schlechter Musik liegt, kommen Musiker, die technisch einwandfrei UND beseelt Musik zu machen verstehen auch wieder öfter zum Zuge.

Dann ist es nur eine Frage der Wertschätzung des Könnens dieser Musiker, die sich letztlich auch im Honorar ausdrückt.
Hallo Wolfgang,

da es nun explizit um Kirchenmusik geht - muss dieser Bewusstwerdungsprozess nicht vor allem erstmal bei den Kirchenleuten einsetzen, ich meine also den Verantwortlichen?
Inwieweit hat denn der gemeine Kirchenbesucher Einfluss auf die musiikalische Programmgestaltung / Auswahl von Musikern?

Ich werd auch den Verdacht nich los, dass die Problematik einfach nur ein Symptom der schwindenden Akzeptanz der Kirche ist.
Keine Mitglieder, kein Geld, keine Musik.

Alles Gute
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Beitrag von Miss Trumpet »

Eine allgemeine Feststellung, aber auch zu diesem Bereich sehr zutreffend: Die Zeiten werden härter und alle schnallen den Gürtel - die Veranstalter als auch die Konzertbesucher, die Künstler bleiben dann auf der Strecke. Aber eigentlich ist das ja nichts Neues, es war vor ein paar hundert Jahren so, und es wird wohl auch die nächsten paar hundert Jahre nicht plötzlich so sein, dass für Kultur vermehrt Geld ausgegeben wird, wenn es in anderen ("wichtigeren"?!?) Bereich auch dringend benötigt wird.

Zur in Wolfgangs ersten Beitrag angesprochenen Finanzlage der Kirche: ich vermute, dass der brave Kirchenbeitrags-Zahler aus den Schuhen kippen würde, wenn er wüsste welche Summen sich Jahr für Jahr allein schon durch Beitragszahlungen auf den römisch-katholischen Konten anhäufen. Wer dann noch bedenkt, wie unverschämt das ehrenamtliche Engagement bzw. die Bereitschaft zu caritativer Betätigung einer Vielzahl von Mitgliedern ausgenutzt wird ...

Mir kam mal ein schlauer Spruch zu Ohren: Geld gibt es immer, man muss nur wissen, welche Hebel zu betätigen sind, damit es in die richtige Richtung fließt.

LG, Miss Trumpet
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