Der Verlust der Instrumentenvielfalt

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kleineGünther
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Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von kleineGünther »

Hallo,

ich war kürzlich im Instrumentenmuseum in Antwerpen und wieder einmal wurde mir klar, dass es noch zu Beginn des 20. Jh. eine recht große Vielfalt gab, was die Bauweise von Trompeten anbelangt. Im 18. und 19. Jh. war ja noch mehr los, nicht nur baulich, sondern auch klanglich war das Spektrum breiter. In Antwerpen konnte ich z.B. erneut eine Klappentrompete hören und wenn ich mir Haydn und Hummel darauf vorstelle, empfinde ich das doch als Bereicherung (habe beide Konzerte selbst natürlich immer auf modernen B-/Es-Kannen gespielt, was klanglich doch weit von einer Klappentrompete entfernt ist).

Die modernen Instrumente scheinen mir zum Großteil "perfekt" zu sein. Es gibt zwar Unterschiede in Klang, Ansprache..., aber die Vielfalt vergangener Zeiten scheint eindeutig vorbei zu sein. In der aktuellen Sonic (habe nur kurz im Kiosk reingeschaut) sind zwar wieder ein paar neue Experimente zu sehen, aber letztendlich werden sie sich nur als Kuriositäten verkaufen und dann sehr wahrscheinlich ebenfalls wieder verschwinden.

Die einzige Ausnahme scheint mir das Gansch-Horn zu sein.

Ich kann mir diese Beschränkung auf die wenigen Bauweisen der modernen Instrumente (im wesentlichen Dreh- und Pumpventiler in verschiedenen Stimmungen) eigentlich nicht wirklich erklären. Klar, andere Bauweisen haben sich nicht durchgesetzt, weil sie Mängel hatten. Aber die frühen Versionen der Ventiltrompeten waren auch nicht perfekt. Vielleicht sind sie es jetzt, aber ich finde es schade, dass die Vielfalt in Bauweise und dadurch auch Klang bei modernen Instrumenten in diesem Sinne nicht vorhanden ist.

Wie seht ihr das? Wären andere Bauweisen als die üblichen heutzutage überhaupt noch ein Gewinn? Oder macht so etwas keinen Sinn mehr? Ist die Experimentierzeit der Entwicklung der Trompete ein für allemal vorbei? Reicht es aus, die modernen Instrumente in kleinsten Details zu verbessern?

Lg, kleineGünther.
buddy
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von buddy »

kleineGünther hat geschrieben:... Ist die Experimentierzeit der Entwicklung der Trompete ein für allemal vorbei?
Es gibt schon noch "spezielle" Designs:
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kleineGünther
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von kleineGünther »

Hallo Buddy,

das stimmt, aber ich meinte nicht unterschiedliche Designs, sondern Bauweisen. Hier im Forum finden sich einige (z.B. Drehventil-Trompete mit langem Mundrohr im Heckel-Thread, Kreuzkornett (okay, ist ein Kornett, keine Trompete...)). Aber gehe ich heute in ein Musikladen, gibt es die "Otto-Normal-B-Pumpe", beim Instrumentenmacher auch die Drehventil und die verschiedenen Stimmungen.

Weiter ausgeholt: Ich bedaure, dass Stopf-, Zug-, Klappentrompeten und ihre Varianten nur als Übergangsmodelle von Naturtrompete zu Ventiltrompete angesehen werden, hatten sie doch ihren eigenen Klang! Jetzt sind wir bei den modernen Ventiltrompeten angekommen und Veränderungen gibt es nur noch im Detail (oder halt im Design), bzw. hin und wieder eine Kuriosität (was ist z.B. eigentlich aus der vierventiligen Thein geworden?). Die "Übergangsmodelle" (s.o.) werden nicht mehr gebaut (geschweige denn weiterentwickelt), neue Alternativen zu den normalen Ventiltrompeten oder auch Ventiltrompeten der anderen Art (s.o., Drehventil mit langem Mundrohr etc.) gibt es kaum (außer Gansch-Horn). Was dabei verloren geht ist die Vielfalt. Natürlich auch im Klang (krasses Beispiel: Klappentrompete vs. moderne Pumpventil-Trompete).

Lg, kleineGünther.
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Miss Trumpet
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von Miss Trumpet »

Das manche Sonderinstrumente wieder verschwunden sind, ist in erster Linie sicher damit zu erklären, dass sie sowohl bei Klang/Intonation als auch bei technischer Handhabung und Bespielbarkeit keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert haben - bzw. der Konkurrenz technischer Neuerungen und Verbesserungen nicht standhalten konnten.

Hinzu kommt, dass sich Sonderinstrumente genauso wie grundlegende technische Veränderungen erst einmal bei den Komponisten herumsprechen und in den Kompositionen Verwendung finden müssen. Das hat allein schon nach der Erfindung der Ventile, die ja die Möglichkeiten des Instruments enorm verändert haben, geradezu erstaunlich lange gedauert.

In den letzten 30 bis 40 Jahren kommt noch als Faktor hinzu, dass die Welt auch im Bereich Musik durch Ton- und Bildträger sowie durch Rundfunk und Internet immer "kleiner" und vergleichbarer geworden ist. Regionale Unterschiede verlieren an Stellenwert und verschwinden zusehends. Das merkt man zum einen an den Interpretationen, zum anderen aber auch am Instrumentarium: Drehventil-Instrumente werden jetzt auch außerhalb von Mitteleuropa speziell für Bruckner, Mahler u. dgl. eingesetzt, Perinet-Instrumente finden in Drehventil-Nationen nicht nur im "Jazz"-Bereich und in der "U-Musik" Verwendung, sondern werden aufgrund klanglicher Vorteile auch als Zweitinstrument für z.B. das französische Solo-Repertoire verwendet. Ein weiteres Schlagwort wäre der jüngste Boom der Brassbands in unseren Breiten oder in die Blasorchestern die Veränderungen beim Instrumentarium und der Instrumentierung der Werke.

Alles in allem sind die Blechblasinstrumente in ihrer heutigen Form (mit Ausnahme der Posaune) noch sehr jung, das merkt man sehr bei der Literaturauswahl. Fehlkonstruktionen wie z. B. das Althorn sterben wieder aus bzw. finden nur mehr in grundveränderter Bauform in Brassbands Verwendung, Bass- und Es-Trompeten sind auch nur mehr Raritäten. Für mein Empfinden haben sich die Instrumente aufgrund der technischen Möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt und sind trotzdem noch nicht perfekt. Man vergleiche das z.B. mal mit der Violine, die ist schon seit Jahrhunderten ausgereift und wurde nur mehr marginal verändert.

Ich persönlich habe keinen Bedarf nach einer Klappentrompete o. ä., Intonation und Klang entsprechen heutigen Standards einfach nicht. Die Instrumentenvielfalt eines durchschnittlichen Orchestertrompeters ist auch so schon sehr beachtlich und mit einigen Herausforderungen verbunden. Zur Standardausrüstung gehören quasi Bb, C, A/Bb-Piccolo und ein Flügelhorn. Wer sich in bestimmte Richtungen spezialisieren möchte hat dann noch eine D/Eb, eine Naturtrompete, eine Perinet-Bb oder ein Kornett. Mir ist das Vielfalt genug.
kleineGünther hat geschrieben:Ist die Experimentierzeit der Entwicklung der Trompete ein für allemal vorbei? Reicht es aus, die modernen Instrumente in kleinsten Details zu verbessern?
Das glaube ich nicht, Experimente wird es noch viele geben, Verbesserungspotential gibt es genug. Aus meiner Sicht ist damit vor allem bei Material und Herstellung zu rechnen.
kleineGünther hat geschrieben:Die einzige Ausnahme scheint mir das Gansch-Horn zu sein.
Das Gansch-Horn ist eigentlich nur optisch verändert - durch die "Welle" im Rohrverlauf vor dem Schallbecher und den aufgestellten Drehventilstock verbunden mit einer 90°-Drehung um die Längsachse. Die Optik ist verändert und (bewusst) auffällig - ansonsten ist alles beim Alten. Ich halte es für eine Mode-Erscheinung, die sich nicht etablieren wird, und für ein künstlerisches Statement von Thomas Gansch, das seinen Wiedererkennungswert natürlich enorm anhebt. Ich würde es mit dem aufgebogenen Schallstück von Dizzy Gillespie vergleichen.

LG, Miss Trumpet
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von dizzyoliver »

Im Grunde gebe ich Miss Trumpet recht,möchte dabei aber noch ergänzen,dass es gerade im deutschsprachigen Raum viele hervorragende Instrumentenbauer gibt,die sich bestimmt offen zeigen für neue Vorschläge und Aufträge.Dabei gibt es auch Sonderanfertigungen,wie nach oben gebogene Mundrohre (wie es z.B. unser User und Profi Trumpetralfino verwendet),oder auch Instrumente für Linkshänder.

Wenn ich alleine meine Instrumentenvielfalt sehe (Trompeten Perinet/Drehventil in B,Kornett in B,Flügelhorn Perinet und Drehventil in B),denke ich mal,dass es genug Variationen von modernen Instrumenten gibt,die den Ansprüchen der Musik in der Gegenwart vollauf genügen.

Ich finde die Originalklang-Spezialisten sehr interessant und auch wichtig,aber für mich als Hobbymusiker nicht wegweisend.

Das Dizzy-Horn wurde in ähnlichen Formen durchaus immer wieder gespielt,das Ganschhorn wird auch einen ähnlichen Weg gehen.So ist meine Einschätzung heute.Vielleicht werde ich auch in 10 Jahren völlig anders reden,wer weiß?.....

Gruß,Oliver
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kleineGünther
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von kleineGünther »

Hallo Miss Trumpet,

toller umfassender Beitrag! Ich will trotzdem an einigen Stellen einhaken:
Miss Trumpet hat geschrieben:Das manche Sonderinstrumente wieder verschwunden sind, ist in erster Linie sicher damit zu erklären, dass sie sowohl bei Klang/Intonation als auch bei technischer Handhabung und Bespielbarkeit keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert haben - bzw. der Konkurrenz technischer Neuerungen und Verbesserungen nicht standhalten konnten.
Zu den Klangproblemen am Beispiel der Klappentrompete: Der Klang war (logischerweise) stark beeinflusst durch die Tonlöcher. Dieses Problem hatte die Ventiltrompete nicht. Die Ventiltrompete hatte zu Beginn jedoch einige mechanische Probleme. Die Klappentrompete wurde nicht weiterentwickelt, die Ventiltrompete schon. Ich bin kein Instrumentenbauer und "was wäre wenn"-Theorien sind immer problematisch, aber wäre die Klappentrompete mit einem ähnlichen Eifer weiterentwickelt worden, hätte man vielleicht auch ihre Probleme in den Griff bekommen. Das hat man nur leider nicht getan. Der Klang der Klappentrompete ist nur noch etwas für das Museum und somit für den "Alltag" verloren. Ich finde das schade.
Miss Trumpet hat geschrieben:Hinzu kommt, dass sich Sonderinstrumente genauso wie grundlegende technische Veränderungen erst einmal bei den Komponisten herumsprechen und in den Kompositionen Verwendung finden müssen. Das hat allein schon nach der Erfindung der Ventile, die ja die Möglichkeiten des Instruments enorm verändert haben, geradezu erstaunlich lange gedauert.
Auch die Ventiltrompete war in ihren Anfangstagen ein "Sonderinstrument". Das ist bei allen neuen Instrumenten so. Dass es sich bei Komponisten und Musikern durchsetzen muss, galt, um das Beispiel noch einmal aufzugreifen, sowohl für Klappen- als auch für Ventiltrompete. Die Klappentrompete hatte in dem Punkt sogar die Nase vorn, weil sie eher da war (Haydn und Hummel sind wohl die bekanntesten Beispiele).
Miss Trumpet hat geschrieben:Fehlkonstruktionen wie z. B. das Althorn sterben wieder aus bzw. finden nur mehr in grundveränderter Bauform in Brassbands Verwendung, Bass- und Es-Trompeten sind auch nur mehr Raritäten.
Ich habe (ganz im Ernst) eine Bildungslücke: Warum ist das Althorn eine "Fehlkonstruktion"? Vielleicht kannst Du dazu noch einmal etwas sagen. Ansonsten denke ich auch an andere "trompetenartigen" Instrumente wie z.B. das Cornopean, ferner auch die Ophikleide und Grifflochinstrumente. Die waren recht beliebt und auch keine Fehlkonstruktionen (nach meinem Wissensstand) und sind trotzdem verschwunden. Die Bandbreite der Instrumente und somit auch des Klangs war in früheren Zeiten größer als heute.
Miss Trumpet hat geschrieben:Ich persönlich habe keinen Bedarf nach einer Klappentrompete o. ä., Intonation und Klang entsprechen heutigen Standards einfach nicht. Die Instrumentenvielfalt eines durchschnittlichen Orchestertrompeters ist auch so schon sehr beachtlich und mit einigen Herausforderungen verbunden. Zur Standardausrüstung gehören quasi Bb, C, A/Bb-Piccolo und ein Flügelhorn. Wer sich in bestimmte Richtungen spezialisieren möchte hat dann noch eine D/Eb, eine Naturtrompete, eine Perinet-Bb oder ein Kornett. Mir ist das Vielfalt genug.
Wie meinst Du das, dass der Klang z.B. einer Klappentrompete nicht einem heutigen Standard entspricht? Das tut er doch deswegen nicht, weil diese Instrumente so gut wie nicht mehr gespielt werden. Zur Frage der Intonation: Moderne Ventiltrompeten haben nur noch geringe Intonationsprobleme, moderne Klappentrompeten existieren nicht, weil sie nicht weiterentwickelt wurden. Ich vermute einfach mal, dass eine moderne Klappentrompete nicht die Intonationsprobleme einer Klappentrompete aus dem späten 18./frühen 19. Jh. hätte.

Die Instrumentenvielfalt eines durchschnittlichen Orchestertrompeters ist, da stimme ich Dir zu, recht groß. Aber mir ging es auch mehr um das Angebot von unterschiedlichen Bauformen und nicht darum, das ein Orchestertrompeter sämtliche Bauformen besitzen/spielen soll.

Beim Gansch-Horn magst Du recht haben. Dass es im Prinzip eine Drehventil-Trompete mit Modifikationen ist, war mir natürlich bekannt. Ich ziehe meine Aussage von meinem vorletzten Post hiermit zurück. :D Ich will hiermit auch nicht sagen, dass Klappentrompeten besser seien als Ventiltrompeten. Was ich meine, ist: Ich spiele seit vielen Jahren Trompete. Um mich herum waren da nicht sehr viele unterschiedliche Bauweisen. Das war früher anders und insofern besser, als das es eine größere klangliche Vielfalt gab.

Lg, kleineGünther.
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Bixel
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von Bixel »

Klappentrompeten haben sich meines Wissens in der "Evolution" der Blechblasinstrumente nicht durchgesetzt, weil sie über den Tonumfang systembedingt keine klangliche Kontinuität bieten.
Durch die variierende Beteiligung der Klappen bei unterschiedlichen Tönen unterscheiden sich die Töne wohl nicht nur in der Höhe, sondern eben auch im Klang - was ein entscheidender Evolutionsnachteil gewesen sein dürfte.

Ich würde mich mit einem solchen Klappenteil heutzutage nicht herumärgern wollen.
Wer das aber will, findet sicher einen Weg, an ein solches Horn zu gelangen.

:o
.
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schattie280
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von schattie280 »

Moin,

habe gerade ein schönes altes Es/Althorn zur Restaurierung in der Werkstatt. Als "Fehlkonstruktion" möchte ich es nicht bezeichnen, aber als Nischeninstrument. Gleiches gilt für die BAsstrompete. Es gibt weit mehr Hersteller von Basstrompeten (Voigt, Dotzauer, Melton, Cerveny, Bach, Thein ...) als z.B. für Helikone (Cerveny).

Es wird "in Kleinen getüftelt", z.B. was bei Drehventilern die Mechanik angeht. Da steckt noch Potential drin. Und es gibt Modeerscheinungen: auf den letzten Messen habe ich einen Trend zu Schwanenhalsdrückern bemerkt. Auch so Details wie die muffenlose Verbindung (durchgehende Brocken) der Ventile oder Dekompressionsbohrungen o.ä. sind optisch wenig spektakulär, aber gute Innovationen. Oder Schubstangen mit Miniball aus einem Stück, die Gelenke sind nicht mehr angeschraubt. Sieht einfach toll aus. Auf der Messe habe ich CNC gefräste Züge gesehen - sie passen ohne Einläppen. Den Unterschied würde selbst ein Profi nicht merken.
Also im Detail haben heutige Trompeten kaum was mit Trompeten von vor 30 oder 50 Jahren zu tun, auch wenn früher sehr gute Trompeten gebaut wurden.
Allerdings ist nicht jeder Fortschritt gut: frühere Legierungen scheinen aufgrund von weniger Reinheit korrosionsunempfindlicher gewesen zu sein.
Bei Posaunen hat sich noch mehr getan: es gab ein Wettrüsten im Bereich Quartventile: alles muss irgendwie "open", open Wrap (der Rohrverlauf), open flow, Hagmann und Thayer-Ventile.
Und was neue Werkstoffe wie Carbon für ein Potential haben, wird sich zeigen.
Im Bereich Verarbeitung wird auch erfunden: es gibt immer noch neue Werkzeuge, die das Arbeiten leichter machen. Und im Bereich Oberfläche geht bestimmt auch noch was. Heyday´s z.B. entwickelt und entwickelt...
Nur einen Ersatz fürs Üben hat noch keiner gefunden. :mrgreen:

Gruß,
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von haynrych »

die anwendung der klappentrompete im bläseralltag ist längst realität geworden.

u.a. bietet die die firma schagerl eine reiche auswahl an klappen für drehventiler an >>> www.schagerl.com
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von kleineGünther »

Hallo,

im Prinzip geht es mir um das Spannungsfeld folgender beider Positionen:

Auf der Suche nach einem chromatisch spielbaren Instrument sind viele verschiedene Bauformen entstanden...

a) ... Es hat sich herausgestellt, dass die heute gebräuchlichen Formen technisch am besten sind. Deshalb gibt es die meisten anderen Bauformen heute nicht mehr. "Survival of the fittest."

b) ... Nur wenige Bauformen wurden stetig weiterentwickelt. Dadurch ist die klangliche Vielfalt ebenfalls verloren gegangen.

Das Prinzip "Survival of the fittest" bei der "Evolution der Blechblasinstrumente" muss nicht unbedingt stimmen: Technische Mängel hatten, wie bereits erwähnt, alle Frühformen der chromatisch spielbaren Trompeteninstrumente. Lücken im Tonvorrat sind beispielsweise in den Zugtrompeten der alta capella im 15. Jh. vorhanden, man weiß heute immer noch nicht genau, wie mit diesen Instrumenten die damalige Musik gespielt werden konnte. Es kann sein, dass die Töne mit Hilfe des Ansatzes getrieben wurden, die Posaune die entsprechenden Parts übernommen hat, die Musik höher transponiert wurde oder die „trompetta“-Vermerke in den uns aus der damaligen Zeit überlieferten Noten gar keine Besetzungsangaben sind, sondern nur Angaben zur musikalischen Gestaltung (z.B. häufige Quintsprünge). Natürlich war das Aufkommen der Posaunen mit U-Zug (die genannten Zugtrompeten nutzen zur Tonhöhenveränderung ein verschiebbares Mundrohr) auch ein Grund, warum man sich von den Zugtrompeten abgewandt hat. Sie hatten das Problem der Lücken im Tonvorrat nicht. So gesehen wäre es im Sinne des Überlebens des Fitteren nur logisch, wenn man die Finger von chromatisch spielbaren Trompeten überhaupt gelassen hätte. Schließlich war zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Posaunenfamilie derartige Vorzüge hat und eine hohe Posaune einer Trompete weit überlegen ist. Wir wissen heute, dass dieser logische Schritt in diesem Fall nicht gegangen wurde. Auch deshalb nicht, weil eine hohe Posaune und eine Trompete klanglich zu verschieden sind, beide Instrumentenfamilien eine unterschiedliche Biografie haben etc. Zur Klappentrompete vs. Ventiltrompete: Auch hier gibt es einen großen klanglichen Unterschied und unterschiedliche Biografien. Beide Instrumente waren technisch nicht perfekt, eines wurde weiterentwickelt und die Mängel behoben, das andere finden wir im Museum.

Ich bin kein Experte der Geschichte der Trompete. Aber die Weiterentwicklung nur einer der beiden Trompetenarten wird meiner Vermutung nach mit vielen Gründen zusammengehangen haben: finanzieller Background bei der Enwicklung, bessere Vermarktung, Weidinger hatte Probleme bei der Weiterentwicklung während Périnet und Blühmel/Stölzel einen Einfall nach dem anderen hatten...

Mir geht es gar nicht darum zu sagen, dass die Ventiltrompete zu Unrecht "überlebt" hat. Mir ist nur aufgefallen, dass wir heute Instrumente einer ganz bestimmten Art spielen (technisch und dadurch auch klanglich). Diese Instrumente sind so weit entwickelt, dass andere Bauformen, die in ihrer Frühform selbstverständlich Mängel haben, heute keine Chance mehr haben, weil sie mit den Trompeten verglichen werden, an denen seit 170 Jahren verbessert wird. Schattie280 hat mit seinem Fachwissen für die jüngste Zeit einige Beispiele genannt. Neue Instrumentenarten, Bauformen etc. werden dadurch, so ist meine Vermutung, heute verhindert. Das finde ich schade, nicht aus technischem, sondern aus klanglichem Interesse.

Lg, kleineGünther.
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von schattie280 »

Moin,

trotzdem sind z.B. nicht nur bei Voigt Klappenflügelhörner im Angebot, ebenso Kuhlos. Da Firmen wirtschaftlich handeln, muss es auch einen Markt dafür geben - diese Instrumente werden also geblasen. Und neue Bauformen wie z.B. das Elephant oder Jestädts Hörnchen / Tübchen gibt es auch. In der letzten Sonic war eine neue Kindertrompete von Syhre mit Glas-Maschine mit geänderter Anordnung der Ventile (3-2-1 bei gleichgebliebener Druckweise 1-2-3). Also ich denke, es ist noch einiges an Vielfalt vorhanden, auch durch die alten Bauformen (Barocktrompeten / -posaunen), die wieder häufiger geblasen werden.
Und mal sehen, was auf der nächsten Messe oder in der nächsten Sonic drin ist.

Gruß,
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von Deakt_20120717 »

Mehrere Einsprüche!
1. Die heutige Ventiltrompete ist nicht perfekt oder besser als die vor 50 - 70 Jahren!
Schaut Euch die alten Aufnahmen der Klassischen Deutschen Orchester vor dem 2. Weldkrieg an! Alles "stinknormale" B-Drehventiltrompeten i.d.R. aus Gelbmessing!
Heute brauch ich Doppel-Trigger auf 1 + 3; Pitchfinder auf dem Hauptstimmzug und bis zu 3 Klappen um in der Intonation einigermassen "hinzukriegen".Hahaha perfektes Instrument! Und ohne C-Trompete an der ersten geht auch nix mehr!
2. Überlebt hat die billigst-industrielle-herzustellende Variante und das ist wieder die Ventiltrompete in der heutigen Form!
Nicht survival of the fittest sondern wie in unserer Gesellschaft üblich survival of the cheapest! :narr:
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haynrych
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von haynrych »

maniactrumpet hat geschrieben:Überlebt hat die billigst-industrielle-herzustellende Variante und das ist wieder die Ventiltrompete in der heutigen Form!

Nicht survival of the fittest sondern wie in unserer Gesellschaft üblich survival of the cheapest!
wann dürfte (nach deiner einschätzung) das erste ventilsaxophon erwartet werden?
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Deakt_20120717
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von Deakt_20120717 »

haynrych hat geschrieben:wann dürfte (nach deiner einschätzung) das erste ventilsaxophon erwartet werden?
Sax-Hörner gabs schon haben nicht "überlebt"
Kannst Du selber googeln!
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Bixel
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Re: Der Verlust der Instrumentenvielfalt

Beitrag von Bixel »

maniactrumpet hat geschrieben:
haynrych hat geschrieben:wann dürfte (nach deiner einschätzung) das erste ventilsaxophon erwartet werden?
Sax-Hörner gabs schon haben nicht "überlebt".
Daraus könnte man schließen wollen, dass Klappen für die Tonerzeugung von Saxofonen das Optimum darstellen - und analog Ventile bei den Trompeten.

In der Evolution ("survival of the fittest") schließt Fitness meines Wissens nicht nur (absolute) Qualität ein, sondern auch Effizienz.
Insofern möchte man für die Ventiltrompete vielleicht von einem "survival of the most efficient" sprechen - und nicht von einem "survival of the cheapest"?

:roll:
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