Lean Production bei den Instrumentenmachern

Hier können Fragen an Instrumentenbauer gestellt werden.

Moderator: Die Instrumentenbauer

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Cavaillé
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Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Cavaillé »

Lean Production (übersetzt „Schlanke Produktion) ist der am
Wirtschaftlichkeitsprinzip ausgerichteter Produktionsansatz, nach
dem vor allem durch Gruppenarbeit und Automatisierung des
Materialflusses eine erhebliche Senkung des Zeit- und
Kostenaufwandes in Entwicklung mit Produktion erzielt werden soll.
Eine Frage, die mich schon länger beschäftigt ist, dass es in der Autoindustrie zu einer Pyramidisierung der Zuliefererteile kommt, d.h. einzelne Firmen liefern ganze front-end Module Armaturen mit kompletter Bordelektronik, die nur noch montiert werden. Mir scheint dieses Prinzip auch (schon lange ?) beim Instrumentenbau angekommen zu sein.
Wenn ich z.B. die Instrumentenspezifikationen unterschiedlicher deutscher Hersteller "Manufakturen" vergleiche, sehe ich immer dieselben Maschinen mit denselben Spezifikationen. Schallstücke lässt man oft fremdfertigen zum Schluß wird alles montiert und fertig ist die Laube. Dann liest man in der sonic, dass Schagerl jetzt wieder die Maschinen selber fertigt und wie gelungen die sind. Hatte letztens eine Hans Gansch zum Test und muss sagen, da ist mir meine ZB oder MS lieber, da bessere Kugellagerung. M.E. deutet diese Tatsache nur auf eine einfache Amortisationsrechnung hin, d.h. der Ausstoß an Instrumenten ist so hoch, dass sich die Eigenfertigung wieder lohnt.
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
1.) Welchen Fertigungsanteil hat der Instrumentenbauer noch selbst ?
2.) Wie individuell sind die Instrumente überhaupt noch ?
3.) Halten Sie klanglich einem Blindhörtest noch stand ?
4.) Kommen wir zum Statement von TF users Robert Mai zurück: "Du bist Dein Klang, nicht Deine Monke, Yamaha, China-Kanne etc".
5.) Reicht dann nicht auch das günstigste Instrument mit den bevorzugten Spezifikationen ?

Bin gespannt, ob eine Diskussion zum Thema aufkommt.

Gruß, Thomas
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biancoblu
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von biancoblu »

Ich würde annehmen, dass der Hauptvorteil der Eigenfertigung in der Verfügbarkeit liegt, eher weniger in niedrigeren Kosten. So hat Van Laar vor allem aus diesem Grund angefangen, selbst Ventile zu bauen.

Gruss biancoblu
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Dobs »

Cavaillé hat geschrieben:5.) Reicht dann nicht auch das günstigste Instrument mit den bevorzugten Spezifikationen ?
Klar. Wenn ein Instrument die Spieleigenschaften hat, die ich mir von einer Trompete wünsche und gut verarbeitet ist, ist es mir persönlich völlig wurscht, ob der Schallbecher von Dave Monette persönlich mundgeblasen und heilig gesprochen wurde oder in einer chinesischen Grossfabrik massengefertigt wurde. Was den Blindhörtest angeht, so glaube ich, dass die meisten vermeintlichen klanglichen Unterschiede durch den Spieler selbst wahrgenommen werden. Der Zuhörer wird zwischen unterschiedlichen Trompetenmodellen und Marken - vorausgesetzt alle intonieren gleich gut - praktisch keinen Unterschied feststellen. Gegenteilige Behauptungen, halte ich für genau das: Behauptungen.
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Bixel
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Bixel »

Für mich sind Spielgefühl, Klang, Intonation, Verarbeitung und haptische Wertigkeit vorrangige Kriterien.
Ansonsten muss der Hersteller/Händler auf mich seriös wirken.

Wenn dies alles einen guten Eindruck macht, darf das Instrument meinetwegen gern so "billig" sein, wie es will.

8)
.
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Cavaillé
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Cavaillé »

die meisten vermeintlichen klanglichen Unterschiede
Das würde ja heissen, der ganze Hype um den "kraftvollen, dunklen Klang mit Schmelz" ist nur subjektiv und es ist völlig egal, ob ich eine Kanne von der Stange nehme, oder eine aus der Manufaktur, die ja letztlich nur ein Baukastensystem ist.
Oder ganz überspitzt, wenn ich Metallwerker (Dreher o.ä.) wäre bräuchte ich mir nur noch die Teile kommen lassen (Schallstück, Maschinenstock ein paar Rohre), löte das Zeug zusammen und schon habe ich eine Monke, Thein, Schagerl etc :Tock:
Wann treten hier denn endlich die Kunsthandwerker auf den Plan und singen mir das Hohelied von Meisterzunft und -ehr.
Alles nur Sinnestäuschung, Eigenwahrnehmung ? Worin liegt denn nun die Kunst im Handwerk des Instrumentenbauers ?

Gruß Thomas
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Bixel
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Bixel »

Auf der "Hardware-Seite" lässt sich mittels Kunsthandwerk, hochwertiger Materialien und Kapitaleinsatz sicherlich Vieles optimieren.
Wenn man aber erlebt, um wie viel effektiver es ist, stattdessen an der "Software" zu feilen, verliert die "Hardware-Frage" an Bedeutung.

In der Formel 1 gilt der Spruch: Die letzten Hundertstelsekunden sind die teuersten.
Diese Ausgaben lohnen sich aber eben nur für die Weltspitze der Rennfahrer.
Alle Anderen verbessern ihre Rundenzeiten wesentlich effektiver durch Fahrertraining auf Durchschnittsmaterial.

Wer gern Geld (und Zeit!) in den Kauf von Instrumenten steckt, hat möglicherweise ein schönes Hobby gefunden.
Wer auf hohem Level musizieren möchte, sollte m.E. mit einer gut funktionierenden Trompete auskommen.

Dies gilt m.E. für alle Amateure und auch für die meisten Berufsmusiker.

:roll:
.
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orlando_furioso
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von orlando_furioso »

Also, ich meine die meisten von euch machen es sich zu leicht - was möglicherweise an mangelnder Erfahrung mit Instrumenten vom Instrumentenbaumeister liegt. Ich möchte das mal anhand der verschiedenen Bauteile einer Trompete aufdröseln:

Die Maschine: Das die Maschinen von spezialisierten Firmen gebaut werden ist mAn kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Welcher Handwerksmeister kann sich eine CNC-Anlage hinstellen, die ihm 100% identische Maschinen dreht? Und wenn er das von Hand machen würde wäre die Serienqualität an einem ganz entscheidenden funktionalen Teil vermindert. Und er könnte wesentlich weniger Instrumente bauen - denn Maschinen zu bauen ist extrem zeitaufwändig. Man sollte auch bedenken, dass nicht alle Instrumentenbaumeister die Standardmaschinen einbauen, sondern dass vielfach die Maschinen als Auftragsfertigung nach den Angaben des Instrumentenbauers gefertigt werden. Von daher ist das sicher nicht immer 08/15 was da verbaut wird.

Züge: Die herstellungsweise der Züge (abgesehen vom Stimmzug) hat quasi keinen Einfluß auf das Instrument. Da ist es völlig egal, ob die in China vom Band fallen oder ob die des Meisters jungfräuliches Töchterlein bei Vollmond mit den nackten Füßen dengelt. Wichtig ist das die Bemaßung und das Material stimmen.

Schallstück: Das ist nun eines der wirklich relevanten Bauteile. Und man merkt einer Trompete auf jeden Fall an, ob das Schallstück handgedengelt wurde oder ob da Pressen und Walzen gewirkt haben. Gerade in der Bemaßung, der Materialwahl und der handwerklichen Ausführung des Schallstückes liegt bei Trompeten das Geheimnis ihres Klanges begründet. Wenn ein Baumeister dieses so wichtige Detail an einen Schallstückmacher "outsourced", dann muss da auf jeden Fall ein großes - auch persönliches - Vertrauensverhältnis bestehen. Und der Meister wird die erhaltenen Schallstücke sicher sehr genau prüfen.

Mundrohr&Stimmzug: Das wiederum wird jeder Instrumentenbaumeister selbst machen, denn das ist das entscheidende Kriterium für die Individualität eines Meisterinstrumentes. Und hier kommen ja auch die Wünsche des Kunden sehr stark zur Geltung.

Anbauteile/Stege: An dieser Stelle wird es interessant. Die Anbauteile und die Ausführung der Stege geben dem Meisterinstrument seinen "Nachnamen" - daran erkennt man sofort aus welchem Hause das Instrument ist. Die Stege sind in ihrer handwerklichen Ausführung und Position zudem ein wichtiges Element für den endgültigen Klang. Das wird jeder Handwerksmeister sicher selbst machen, denn hier liegt die jahrelange Erfahrung begründet, die aus einer "Müller" eben eine "Müller" macht.

Finish: Lackierung bzw. versilberung/vergoldung werden in der Regel nach aussen vergeben. Das ist im kleinen Maßstab eines Handwersbetriebes nicht möglich. Ebenso zumeist Gravurarbeiten - obwohl es auch Instrumentenbauer gibt, die das selbst machen.

Also zusammengefasst: Ein Meisterinstrument ist kein Ergebnis eines Baukaustens - wo des Baumeisters Namen draufsteht, da ist immer ganz viel Baumeister-knowhow drin. Ob das jetzt der Baumeister selbst gemacht hat, sein Geselle, der Lehrling oder eine Spezialist von ausserhalb ist dabei fast unrelevant.

Und jetzt kommt das Eigentliche, das aus einem Meisterinstrument ein Meisterinstrument macht: zwei identische, gleichzeitig gebaute Meisterinstrumente sind nie völlig gleich (wie zwei Trompeten von der Stange) - und darin liegt der Reiz! Als Musiker genau das Instrument herauszufiltern, das genau zu mir passt. Oder manche sagen auch: "das Instrument des Meisters sucht sich seinen Musiker". Vielleicht gibt es da neben den ganzen technischen Gesichtspunkten auch etwas unerklärbares, etwas "magisches"? Der Kuchen der Geliebten schmeckt ja auch viiiiieeeeel besser als der aus der Konditorei - ist eben mit Liebe gebacken. Man mag es "Placebo-Effekt" nennen oder esoterisch deuten - egal - etwas spirituelles lässt sich nicht verleugnen. Und das wirkt sich auf mich und mein Spiel aus. Allein zu wissen: das ist ohne Kompromisse MEIN Instrument; das ist genau so wie ich es immer wollte; das klingt so wie ich es immer wollte; die Luftführung ist genau richtig; dieser schwierige Ton kommt sofort und sitzt wie eine eins - setzt bei mir als Musiker eine innere Sicherheit frei aus der Kräfte resultieren dir mein Spiel zwangsläufig verbessern.

Das macht ein Meisterinstrument aus. Und wenn mich das dasselbe (oder tw. weniger) als ein gutes Instrument von der Stange kostet, wieso sollte ich mir die Mühe machen so viele verschiedene Modelle von Schilke, Kanstul, Monette, etc. auszutesten? Da geh ich lieber und lass mir was ordentliches bauen. Ohne Kompromisse.

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Bixel
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Bixel »

orlando_furioso hat geschrieben:Und jetzt kommt das Eigentliche, das aus einem Meisterinstrument ein Meisterinstrument macht: zwei identische, gleichzeitig gebaute Meisterinstrumente sind nie völlig gleich (wie zwei Trompeten von der Stange) - und darin liegt der Reiz! Als Musiker genau das Instrument herauszufiltern, das genau zu mir passt. Oder manche sagen auch: "das Instrument des Meisters sucht sich seinen Musiker". Vielleicht gibt es da neben den ganzen technischen Gesichtspunkten auch etwas unerklärbares, etwas "magisches"? Der Kuchen der Geliebten schmeckt ja auch viiiiieeeeel besser als der aus der Konditorei - ist eben mit Liebe gebacken. Man mag es "Placebo-Effekt" nennen oder esoterisch deuten - egal - etwas spirituelles lässt sich nicht verleugnen. Und das wirkt sich auf mich und mein Spiel aus. Allein zu wissen: das ist ohne Kompromisse MEIN Instrument; das ist genau so wie ich es immer wollte; das klingt so wie ich es immer wollte; die Luftführung ist genau richtig; dieser schwierige Ton kommt sofort und sitzt wie eine eins - setzt bei mir als Musiker eine innere Sicherheit frei aus der Kräfte resultieren dir mein Spiel zwangsläufig verbessern.
Den Hinweis auf Unerklärbares, Magie, Placebo-Effekt und Esoterik halte ich für wichtig und berechtigt.
Wer den mit Liebe gebackenen Kuchen der Geliebten unter vielen herausschmeckt, den wird vermutlich auch sein ideales Meisterinstrument finden.
Eher unsensible Gemüter (wie ich) hingegen sind mit gering(er) streuender Massenware unter Umständen genauso gut bis besser bedient.
Deren Individualität muss sich dann halt auf die musikalischen Mittel beschränken.

:o
.
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von buddy »

orlando_furioso hat geschrieben:...Züge: Die herstellungsweise der Züge (abgesehen vom Stimmzug) hat quasi keinen Einfluß auf das Instrument.
Man kann sich den Unterschied bei der Herstellung von gebogenem Blech durch Blei-Biegen und Einsatz der Hydraulikpresse hier anschauen:
http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... oQk#t=583s
http://www.youtube.com/watch?feature=pl ... cdY#t=106s

Der ganze Herstellungsprozess als Manufakturfertigung im preisgünstigeren Segment und als Meisterarbeit:
http://www.youtube.com/watch?v=BXRJ5RKIcdY

http://www.youtube.com/watch?v=_tXINjSkoQk
http://www.youtube.com/watch?v=mEVRGxhbZkY
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Dobs
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Dobs »

Ich kann das schon alles nachvollziehen, Roland, und ich finde ein Meisterinstrument auch faszinierend, allerdings sind die Unterschiede, die Du beschreibst im wesentlichen 'subjektiv': Das Erlebnis, am Herstellungsprozess beteiligt zu sein, das Gefühl ein einzigartiges, 'auf den Leib geschneidertes' Instrument zu spielen, etc. Wenn man dem Peter Baumann in seinem Video zusieht, wie er in liebevoller Handarbeit eine Trompete entstehen lässt, möchte man selbst eine haben. Ich meine allerdings, insoweit es die objektivierbaren Kriterien einer Trompete betrifft, bestehen zwischen einer durch "Meisterhand" angefertigten (Perinett-)Trompete und professionell hergestellter qualitätskontrollierter "Stangenware" praktisch kaum Unterschiede.
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von orlando_furioso »

Dobs hat geschrieben:Ich meine allerdings, insoweit es die objektivierbaren Kriterien einer Trompete betrifft, bestehen zwischen einer durch "Meisterhand" angefertigten (Perinett-)Trompete und professionell hergestellter qualitätskontrollierter "Stangenware" praktisch kaum Unterschiede.
WZBW! (was zu bezweifeln wäre)

Auch große Hersteller bauen Top-Instrumente - keine Frage. Aber die sind schon vom ersten Entwicklungsschritt her darauf ausgelegt, das sie alle über die gesamte Baureihe möglichst identisch sind. Wenn ein Kunde eine Yamaha 9335 kauft, dann bekommt er eine Yamaha 9335. Und die, die Wayne Bergeron (angeblich) bläst ist völlig identisch mit meiner. Das ist eine kommerzielle Nutzung des "follower-Phänomens", wie ich es mal unfachmännisch nennen möchte. Sicher haben die Soziologen einen besseren Begriff dafür, das manche (viele) Menschen einen besonderen Lebenswert daraus ziehen, das sie genau das tun oder nutzen was ein Vorbild tut oder nutzt. Das können Prada-Schuhe sein oder eine Michael Schuhmacher Mütze - wir sind umgeben von diesen Dingen.

Meisterinstrumente folgen nicht diesem Schema, denn sie sind individuell. Klar klingt eine Thein immer irgendwie wie eine Thein und eine Adaci immer irgendwie wie eine Adaci - das ist ja auch gut so. Und trotzdem gibt es diesen kleineren oder größeren Anteil an totaler Individualisierung: Ein besonderes Design, ein besonderer Sound, bei meinem JBS-Flügelhorn die Tatsache, das es mit jedem Mundstück einen anderen Sound hat ...

Insofern ist das mit den "objektivierbaren Kriterien" so eine Sache!

Wenn ein "objektivierbares Kriterium" die Varianz innerhalb der Serie ist, dann fallen Meisterinstrumente total durch. Wenn du die Individualisierung in den Kriterienkatalog aufnimmst, dann fallen Trompeten von der Stange durch. Es ist alles relativ und kommt darauf an, welche Kriterien man verwendet. Es gilt nach wie vor der alte Satz: "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast"
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Dobs »

Ich finde es auch unsinnig eine Trompete ausschliesslich deshalb zu kaufen, weil ein von mir idolisierter Trompeter sie spielt. Andererseits was Du als "Placebo-Effekt", Esoterik, Spiritualität bezeichnest und sich auf Dein Spiel auswirkt, weil Du weisst, dass Du ein individuell für Dich gezimmertes Horn spielst, hat vielleicht bei einem anderen Spieler diese Wirkung, weil er weiss, dass der Endorser, dem er seit langen Jahren nacheiefert, die gleiche Trompete spielt, wie er selbst. Beides ist genauso irrational.

Aber darum ging es mir auch gar nicht. Wenn Du das ganze Brimborium um Herstellungsprozess und Endorser weglässt und ausschliesslich das fertige Endprodukt betrachtest, gibt es praktisch keine Unterschiede mehr. Mit verbundenen Augen wirst Du ein Meisterinstrument nicht von einer meisterlichen in Serie hergestellten Trompete unterscheiden können.

Natürlich, der Vorteil den ein Instrumentenbauer hat ist zweifellos, dass er tatsächlich individuell auf den Spieler eingehen kann und jeden Wunsch verwirklichen kann, sofern das nötige Kleingeld da ist. Unabdingbar ist das aber vermutlich nur für den, der wirklich sehr spezielle Wünsche hat.
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von orlando_furioso »

Dobs hat geschrieben:Mit verbundenen Augen wirst Du ein Meisterinstrument nicht von einer meisterlichen in Serie hergestellten Trompete unterscheiden können.
Das wäre mal ein interessanter Test! Mit verbundenen Augen allein vom anblasen her klappt das vermutlich nicht (obwohl Meisterinstrumente häufig einen ganz speziellen und unverwechselbaren Klang haben, während Serieninstrumente in der Regel auf einen Standardsound getrimmt wurden), aber wenn man Haptik und Optik noch berücksichtigt geht das mit großer Wahrscheinlichkeit schon. Das wäre doch mal was für "Wetten dass": Trompeter erkennt 100 verschiedene Trompeten am Klang - oder so ähnlich ... - Ach Nee, Dave Garret hat das ja schon mit seinen Geigen gemacht.
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Bixel »

orlando_furioso hat geschrieben:...während Serieninstrumente in der Regel auf einen Standardsound getrimmt wurden
Ein (wohl wegen der dadurch bewiesenen besonders großen Sachkunde) verblüffend häufig zu hörendes Statement lautet sinngemäß:
"Mir kommt keine Yamaha ins Haus - die klingen irgendwie alle gleich."

:(
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Re: Lean Production bei den Instrumentenmachern

Beitrag von Dobs »

Bixel hat geschrieben:Ein (wohl wegen der dadurch bewiesenen besonders großen Sachkunde) verblüffend häufig zu hörendes Statement lautet sinngemäß:
"Mir kommt keine Yamaha ins Haus - die klingen irgendwie alle gleich."
Wenn man den Klang als rein subjektives Empfinden definiert mag das vielleicht sogar stimmen. In dem Fall gilt aber auch: Eine Yamaha, klingt wie jede andere Yamaha und jede Trompete von der man nur glaubt es sei eine Yamaha.
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